Freiheit ist Abglanz ihrer Idee
Aus der Serie «Sprachperlen»
(stu) Dieses hochgestellte, den goldenen Schnitt oblongierende Format, das im einfachen dreigliederigen Graukeil aus der Tiefe des Anthrazit zum mittleren Grau zum überragenden Hell aufsteigend arrangiert ist und von einem schwarzen Schmalen Rahmen von unten her halbwegs, nämlich exakt bis in das vermittelnde Feld des 50%-igen schwarz-weiss reichend, umfasst wird, ist rein formal und dekorativ beurteilt Vieles, das es nebst den Inhalten auch zu würdigen gilt – was leider oft vergessen wird. Zunächst ist es ein fast plastisch zu empfindendes Tableau, das als ein dem ART DECO und dem BAUHAUSSTIL näherstehendes Object als Raumschmuck und sogar als eigentliches wandgliederndes Element, einer Täferlisene gleich, eine ausgeprägte architektonische Qualität besitzt und erfüllt. Überdies reizt das ebenso als unfertiges oder in seiner Funktion rätselhafte Möbel, etwa als unvollendeter Paravent oder als einfüssiger Liege- oder Klappstuhl zu sehende Werk, die Lust der Betrachtenden zur Manipulation.
Man möchte das Ding auseinander klappen oder entfächern, bevor man sich überhaupt mit Verständnissinnigem abgeben mag. Und schliesslich- und damit betreten wir unversehens eben doch schon die Inhaltliche, die aussagende Ebene – kann man sich fragen, ob dieses Tableau, das sich spontan auch als ein Überrest eines entsprechenden Triptychons unserer Empfindung anzuschmiegen weiss, als ein ruinen- und zeichenhaftes MEMENTO MORI gedacht ist. Und gleich weiter mit der Jagd nach der tryptichonalen Dreigliederung – dreht man das Paneel um 90 Grad in die Waagrechte entdeckt sich uns die Dreiteilung und wir ahnen, dass es hier um mehr geht als um die philosophisch gesehene Banalität von Freiheit versus Sicherheit. Denn allein schon die Einsicht, dass sich, da wir nicht allein auf der Welt leben, Freiheit nur im Gemeinsamen, also in einer zweckgebundene und regulierenden Einigung mit dem Rest der Menschheit, erreichen lässt, macht klar, dass der Kunstwerker in seinem stetigen und nicht nur in Nummer 14 aufleuchtenden Anmahnen des ewigen Rahmens des Seins, im Sein und als eigentliches Sein eine viel tiefschichtiger anzusiedelnde fundamentale und deshalb prinzipiell a priori apolitische ENTITÄT sich selbst und allenfalls uns, den Betrachtenden, zum Ausdruck verhelfen will. Eine WESENHEIT, die nach menschen ermessen allerdings unfasslich und nur indirekt und stetig unvollständig zum Beispiel durch das Vehikel der Kunst zu umschreiben ist.
An dieser Stelle angekommen, scheinen wir uns im Feld des Metaphysischen schwerelos und ungerichtet zu bewegen, als wären wir geistige Embryonen im Fruchtwasser der Philosophie. Dabei lässt sich doch schon im absolut Prosaischen der Neurologie und der jüngeren Hirnforschung ein philosophisch und kausal-logisches PARADOXON festmachen, das uns Maras scheinbar trivialen Aussagen explosionsartig zum Horror auswachsen lässt. Mittlerweile ist es wissenschaftlich unumstösslich gesichert, dass wir, wenn wir eine bewusste Entscheidung treffen, dies nur vermeintlich tun, weil eine neurologisch nicht zu definierende Instanz unseres Zentralen Nervensystems diese Entscheidung bereits einen winzigen Zeitraum zuvor schon getroffen hat, wir also nur ausführen was schon beschlossen war. Wenn wir uns dann auch noch den wissenschaftlich beschreibbaren aber nicht wirklich verstehbaren relativen Charakter der Zeit vergegenwärtigen und uns klar wird, dass ein uns winzig zu erlebender Zeitabschnitt zur angenäherten Unendlichkeit aufzudefinieren ist, können wir das schreckliche Ausmass im Kunstgewerkten Nr. 14 von Mara auszuloten beginnen, wohl ahnend, dass dem Lot kein Grund beschieden sein wird.
Gibt es Trost in dieser Einöde der nichtexistenten Freiheit? Vielleicht ansatzweise darin, dass wirkliches Vertrauen oder auch echte Treue sich zunächst die zweitgrösste Freiheit leistet, nämlich die der potentiellen Enttäuschung, des Missbrauchs also des Vertrauens, und im weiteren beschenkt sie sich mit der allergrössten Freiheit die es überhaupt gibt, die des Verzichtes auf einen Teil ihrer selbst.
Freiheit ist somit ohnehin nur ein Abglanz ihrer Idee. (zum Werk)
Jul 2015, W. Studer