Eislauf mit Sturzgarantie und Pingpong

Aus der Serie «Sprachperlen»

Nr19 Gegen­sät­ze

(stu) Das Flui­dum, die Kopf­note und der erste Ein­druck des Wer­kes Nr19 ist Design gefäl­lig und ein jedes gedie­gene Arran­ge­ment von Desi­gn­möbel, ob im Wohn­be­reich der bil­dungs­be­flis­senen geho­benen Mit­tel­klasse oder etwa im Büro des edlen Anwalts erhiel­te zusätz­li­chen Glanz mit die­sem Dop­pel­bild bzw. Dypti­chon an der Wand.

Es ist aber genau die­se bür­ger­liche Taug­lich­keit jenes Glatt­eis, auf das uns der ganz und gar nicht dem Out­fit sei­nes Wer­kes Nr19 ent­spre­chende Till Eulen­spiegel der Phi­lo­so­phie Maras füh­ren will und kann und – wie ich mei­ne – auch darf. Denn der Sturz auf die­sem Glatt­eis ist einer­seits Beweis für die Not­wen­dig­keit des­selben, das heisst, wer hier aus­gleitet, hat es nötig und WER HAT ES NICHT NÖTIG. Und ande­rer­seits erbringt das Fal­len auf die­sem glit­schig unge­wissen Ter­rain kei­ne schmerz­li­chen und schäd­li­chen Kno­chen­brüche und so, son­dern statt dem Steiss­bein wird das Hirn stra­pa­ziert – und zwar äus­serst wirk- und heil­sam. Auf also zum genüss­li­chen EISLAUF MIT STURZGARANTIE! Machen wir uns also dar­an alle die ver­netzten Aus­sagen zu fin­den und uns die­se Bon­bons lut­schen­der­weise einzuverleiben.

Ohne hier wei­tere Momen­te die­ses Wer­kes Nr19 zu nen­nen, sie also zum vor­aus zu ent­decken und der Erar­bei­tung und dem Genuss zu ent­zie­hen, darf ich doch eine Bemer­kung zum Titel GEGENSÄTZE los­wer­den. Denn in der Tat ist die­ser Titel selbst schon ein Pro­dukt der gestei­ger­ten phi­lo­so­phi­schen Wahr­neh­mung: Der GEGENSATZ, die CONTRADICTIO, ist sich selbst schon ein GEGENSATZ bzw. CONTRADICTIO! Denn der GEGENSATZ, die CONTRADICTIO wäre ja eben der SATZ oder die DICTIO, da aber jeder SATZ GEGENSATZ eines ande­ren SATZES ist, stellt jeder SATZ a prio­ri schon ein GEGENSATZ dar und so wei­ter. Das bedeu­tet aber auf dem glat­ten Par­kett der Spra­che und der Phi­lo­so­phie das dar, was man übli­cher­wei­se als CONTRADICTIO IN ADJECTO, einen Wie­der­spruch in sich selbst oder auch ein OXYMORON nennt. Letz­teres ist ein alt­grie­chi­scher Begriff, der über­setzt in etwa SCHARFSINNIG-DUMM heisst und der obwohl meist nur als ein aus­ser­or­dent­lich pres­ti­ge­träch­tiger Bume­rang im Small­talk “bekannt”, ein sehr nach­den­kens­wertes und ver­dienst­volles Bewusstsein­spar­tikel der Denk­physik ist und bleibt. Wir sehen also bei die­sem sich auf ewig selbst spie­lenden kos­mi­schen PINGPONG die Begrenzt­heit, ja Deter­mi­na­tion jeg­li­cher Denkbarkeiten.

Klar ist obi­ge Bemer­kung und über­haupt die vom Kunst­werker durch sein Werk ange­spro­chene Ebe­ne eine durch­aus Bil­dungsaffine und der Vor­wurf eli­tär daher­zu­werken mag viel­leicht nicht zu unrecht den Betrach­tenden auf der Zun­ge bzw. dem Gemüt lie­gen. Aber viel­leicht ist Bil­dung – und zwar auch jene, die kei­nen mate­ri­ellen Gewinn anstrebt – nöti­ger denn je? Eine Fra­ge die der Autor die­ser Zei­len zuge­ge­be­ner­massen rein rhe­to­risch stellt – ohne jeden Bil­dungs­dünkel, son­dern in der opti­mis­ti­schen Hoff­nung auf die mög­lichst welt­weite Über­win­dung des Wachs­tums­wahns und ande­rem drin­gend zu hei­lendem Wahn.

Jan 2016, W. Stu­der

Zur Werkseite

Besu­chen Sie die Werk­seite von Nr19 (wei­te­re Bil­der, Werk­da­ten und Klassifikation)

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert