Der rote Faden ins Labyrinth
Aus der Serie «Sprachperlen»
(stu) Ein nicht einmal einfach gestricktes, sondern lediglich einfach aufgespultes Werk diesmal. Von unserem Kunstwerker, dessen Hinterlist wir mittlerweile sattsam kennen und wissen: den Schinken am scheinbar mageren Knochen müssen wir uns als Betrachter selber erschaffen, die Sau also zum genüsslichen Verzehr selber mästen!
Da ist nun diese Spule aus satt und fast leuchtend Rot gefärbtem Faden, der in der Tat eine aus feinstem Wollfilz gesponnene Schnur ist, deren Ende locker und nachlässig lässig offen lose hängend geblieben ist und irgendwie zeichen- und etwas verloren rätselhaft einen Strich ins Weiss der Sockelflächen markiert – als wär’s eine Aufforderung zur Öffnung der Spindel. Immerhin, dem schlicht und gerade darin schon hochästhetischen Etwas haftet unbedingt etwas diffus Ahnungsvolles und unerklärlich Tiefes an. Es ist ein magischer Fetisch, dem der Zauber des Märchens innewohnt und den das Fluidum sinnlicher Poesie einhüllt. Zu erinnern ist an die Spule mit dem kostbaren roten Faden, mit dem ausschliesslich der Tempelvorhang gewoben wird und der deswegen nur von der heiligsten aller heiligen Frauen, MARIA, der THEOTOKOS, der Mutter Jesu im Christentum, oder, im älteren griechischen Mythos, von PERSEPHONE, der Tochter DEMETERS, gesponnen und verwoben werden darf.
Dieser vorliegende rote Faden, der des Wachstumsgerangels nämlich, führt jedoch nicht einmal aus dem Labyrinth – so wie sonst grundsätzlich der mythologische rote Faden aus jeglichem Labyrinth führt. Nein! Im Gegenteil führt in diesem unserem Fall die Rückverfolgung des roten Fadens zwangsläufig zu den wachsenden Materialitäten des Wachstums – gleichsam dem roten Faden beim Öffnen der runden Schachtel etwelcher Schmelzkäsesorten, der uns erst möglich macht, den mehr oder weniger kulinarisch wertvollen Inhalt zu vertilgen.
Überhaupt sehe ich im an sich hübsch-harmlosen länglichen stabförmigen Objekt schon irgendwie auch den Vibrator, der zur libidinösen Steigerung des allseits religiös-erotisch begriffenen Wachstums geeignet scheint – ein SEX TOY gehobenen Wirtschaftsverständnisses also, das uns die hehre Finanz- Wirtschafts- und Politikelite gerne unter den Weihnachtsbaum legen würde. Ein XXXMASGeschenk sozusagen, das wir natürlich äusserst gerne entgegen nehmen, sind wir, die Mehrheit der Konsumenten, die wir uns ja bezüglich der Schattenseiten des Wachstumswahns so gerne als unschuldige Gemüter darstellen und mehr oder weniger ideologisch verbrämt die Schuld von uns weg nach oben, zu den bereits Genannten, schieben, doch nur zu gerne bereit, die Konsumgeilheit himmelhoch jauchzend zu stimulieren!
Lassen wir solches und begeben wir uns zwecks tieferen Verstehens auf eine höhere Ebene fern jeder Anklage, nah aber wirklicher Weisheit. Ich meine, dass wir diese wunderlich charmante Fadenspule, gefärbt in der Farbe des Herzens und der Sonne, entsprechend poetisch wahrnehmen und verinnerlichen sollten: nicht aus dem Labyrinth, sondern in dieses hinein soll uns dieser Lebensfaden führen! In jene unendlichen Gewölbe unserer Seele, in denen wir – so verspricht uns AUGUSTINUS, Kirchenvater und Philosoph des Frühchristentums – Alles, Alles finden – auch dasjenige, was über uns selbst und unsere Zeit hinaus reicht – ohne je irgendwohin reisen zu müssen.
Und da ja der kunstwerkende intellektuelle Schlingel nicht nur Seelendoktor sondern vielmehr auch identisch mit jenem traurigen Clown eines seiner ersten Werke ist, kann diese Deutung und ihr zugehöriges Unterfangen nur richtig sein.
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