Ich bin dann mal weg
Aus der Serie «Sprachperlen»
(stu) Auf dem Geviert des dem Kunstwerker Mara eigenen weissen Sockels wie zufällig leicht schräg und um weniges geschiftet ausgelegt ein einfaches KREUZ, ein Kruzifix ohne den Gekreuzigten. Und ebenso zufällig einige Blutstropfen, die sich bei näherem Hinsehen als völlig undramatische dafür aber witzig eingesetzte Prise KONFETTI erweist. Das Kreuz, absolutes Symbol der Christenheit, des Heilsgeschehen und des Versprechens eines jeden Tod überwindenden ewigen Lebens als Fastnachtsscherz und Karnevalsrequisit? Ist Mara ein kunstwerkend zu Werke gehender Gotteslästerer, der, trotz seiner sacht ironischen und grosso modo untadeligen Gestaltung, erkenntlich das verunglimpft, was vielen Heilig ist?
Was verbindet der uns als spitzfindiger Querdenker bekannte Mara mit dem frivolen KONFETTI und dem LEEREN KREUZ seines Werks Nr51 Närrische Öffnung? Klamauk anstatt Eucharistie? Hipp Hopp für die Seele statt kontemplativer Spiritualität? Statt erfühlbarer Mystifikation des ewigen Geheimnisses und der Sakramente, die publikumswirksame Segnung der Gay-Partnerschaft? Statt eigentlicher geistlicher Autorität und Priesterschaft, Sozial-Entertainment und Psychotherapie? Statt behut- und bedeutsamer Liturgie, Gospelfestival und Erweckungsspektakel? Statt Zelebrant, Showmaster?
Ist es dies, was Kirche soll und was Religio meint? Dies ist die künstlerisch sparsam ausformulierte Frage, die sich der Rebell — und Mara ist ein solcher — angesichts der wachsenden Tendenz der Kirche, sich zwecks Neu-Missionierung die mehr und mehr und immer schneller und schneller ausdünnende Decke der Gläubigen mit ANPASSEREI an das Gängige aufzupolstern — ANPASSEREI an das scheinbar Gegenwärtige, das Gemeinsamgeschmäcklerische, an den jegliches Fühlen verklebenden Sirup, an die ROSAROTE BRILLE DES JEKAMI eben.
ICH BIN DANN MAL WEG scheint uns des Kunstwerkers Arrangement, neudeutsch Installation, mitzuteilen — aber wohin ist er gegangen? Wohl kaum nach Santiago de Compostela, obwohl gerade diese Pilgerreise seit etlichen Jahren wieder unternommen wird und zwar nicht nur von Trendsettern aus der Servela- und Currywurstprominenz. In der Tat ist diese alte Pilger-Wegstrecke, die es in mehrfacher Hinsicht in sich haben kann, ein möglicher Weg, sich wieder zu finden — wie selbstredend jeder Weg, der mit konzentrierter Wahrnehmung gegangen wird, es in sich hat, indem er diese Hingabe und Andacht dem einsamen Pilger mit erweiterter Wahrnehmungsfähigkeit verdankt. Und genau dahin möchte uns der Kunstwerker weisen, denn darum geht es ja! So soll Kirche sein! LEBENDIGER WEG zum GRUND ALLER GRÜNDE.
Je finanzliberalistischer und wachstumszwangsgestörter der globalisiert geschüttelte, leistungsdefinierte Mensch ist, umso heftiger die Sehnsucht nach etwas, das ihm einen transzendenten Widerhall seines so kläglich winzig gewordenen Selbst ermöglicht. Abgestumpft in der reinen Materialität des Hedonismus sucht er natürlich demgemäss dort, wo es laut genug ist, um seine einsamen Ängste und seine Trauer ob den Verlust des Urgrundes zu übertönen.
Dieser pandemisch anmutenden Krankheit sollte die Kirche entgegenstehen können, indem sie nicht Konfetti, sondern Stille mit Sinnesecho zu bieten weiss.
Mag sein, dass Mara ein anachronistisch anarchischer und überaus komischer Papist ist. Aber er hat nichts gegen Hipp Hopp, Gospel, Psychotherapie (sic!), Homosexualität, Sozialarbeit oder sonst was! Allerdings ist ihm eine Kirche, die sich in Anbiederung erschöpft, anstatt sich eine echte und lebendige, neu fragende und religiös kernkompetente Christliche Renaissance zu leisten, zutiefst zuwider und sie bleibt ihm eben auch im stetigen Verdacht am Eigentlichen vorbei zu schludern und unfähig zu sein, jenen Suchenden mehr als ein billiger Drogenersatz zu bieten.
Mara ist zweifelsfrei Moralist. Ich, der Autor dieser Zeilen, bin dies auch.
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