Ich bin dann mal weg

Aus der Serie «Sprachperlen»

Nr51 Närrische Öffnung

Nr51 När­ri­sche Öffnung

(stu) Auf dem Geviert des dem Kunst­wer­ker Mara eige­nen weis­sen Sockels wie zufäl­lig leicht schräg und um weni­ges geschif­tet aus­ge­legt ein ein­fa­ches KREUZ, ein Kru­zi­fix ohne den Gekreu­zig­ten. Und eben­so zufäl­lig eini­ge Bluts­trop­fen, die sich bei nähe­rem Hin­se­hen als völ­lig undra­ma­ti­sche dafür aber wit­zig ein­ge­setz­te Pri­se KONFETTI erweist. Das Kreuz, abso­lu­tes Sym­bol der Chri­sten­heit, des Heils­ge­sche­hen und des Ver­spre­chens eines jeden Tod über­win­den­den ewi­gen Lebens als Fast­nachts­scherz und Kar­ne­vals­re­qui­sit? Ist Mara ein kunst­wer­kend zu Wer­ke gehen­der Got­tes­lä­ste­rer, der, trotz sei­ner sacht iro­ni­schen und grosso modo unta­de­li­gen Gestal­tung, erkennt­lich das ver­un­glimpft, was vie­len Hei­lig ist?

Was ver­bin­det der uns als spitz­fin­di­ger Quer­den­ker bekann­te Mara mit dem fri­vo­len KONFETTI und dem LEEREN KREUZ sei­nes Werks Nr51 När­ri­sche Öff­nung? Kla­mauk anstatt Eucha­ri­stie? Hipp Hopp für die See­le statt kon­tem­pla­ti­ver Spi­ri­tua­li­tät? Statt erfühl­ba­rer Mysti­fi­ka­ti­on des ewi­gen Geheim­nis­ses und der Sakra­men­te, die publi­kums­wirk­sa­me Seg­nung der Gay-Part­ner­schaft? Statt eigent­li­cher geist­li­cher Auto­ri­tät und Prie­ster­schaft, Sozi­al-Enter­tain­ment und Psy­cho­the­ra­pie? Statt behut- und bedeut­sa­mer Lit­ur­gie, Gos­pel­fe­sti­val und Erweckungs­spek­ta­kel? Statt Zele­brant, Showmaster?
Ist es dies, was Kir­che soll und was Reli­gio meint? Dies ist die künst­le­risch spar­sam aus­for­mu­lier­te Fra­ge, die sich der Rebell — und Mara ist ein sol­cher — ange­sichts der wach­sen­den Ten­denz der Kir­che, sich zwecks Neu-Mis­sio­nie­rung die mehr und mehr und immer schnel­ler und schnel­ler  aus­dün­nen­de Decke der Gläu­bi­gen mit ANPASSEREI an das Gän­gi­ge auf­zu­pol­stern — ANPASSEREI an das schein­bar Gegen­wär­ti­ge, das Gemein­sam­ge­schmäck­le­ri­sche, an den jeg­li­ches Füh­len ver­kle­ben­den Sirup, an die ROSAROTE BRILLE DES JEKAMI eben.

ICH BIN DANN MAL WEG scheint uns des Kunst­wer­kers Arran­ge­ment, neu­deutsch Instal­la­ti­on, mit­zu­tei­len — aber wohin ist er gegan­gen? Wohl kaum nach Sant­ia­go de Com­po­ste­la, obwohl gera­de die­se Pil­ger­rei­se seit etli­chen Jah­ren wie­der unter­nom­men wird und zwar nicht nur von Trend­set­tern aus der Ser­ve­la- und Cur­ry­wurst­pro­mi­nenz. In der Tat ist die­se alte Pil­ger-Weg­strecke, die es in mehr­fa­cher Hin­sicht in sich haben kann, ein mög­li­cher Weg, sich wie­der zu fin­den — wie selbst­re­dend jeder Weg, der mit kon­zen­trier­ter Wahr­neh­mung gegan­gen wird, es in sich hat, indem er die­se Hin­ga­be und Andacht dem ein­sa­men Pil­ger mit erwei­ter­ter Wahr­neh­mungs­fä­hig­keit ver­dankt. Und genau dahin möch­te uns der Kunst­wer­ker wei­sen, denn dar­um geht es ja! So soll Kir­che sein! LEBENDIGER WEG zum GRUND ALLER GRÜNDE.

Je finanz­li­be­ra­li­sti­scher und wachs­tums­zwangs­ge­stör­ter der glo­ba­li­siert geschüt­tel­te, lei­stungs­de­fi­nier­te Mensch ist, umso hef­ti­ger die Sehn­sucht nach etwas, das ihm einen tran­szen­den­ten Wider­hall sei­nes so kläg­lich win­zig gewor­de­nen Selbst ermög­licht. Abge­stumpft in der rei­nen Mate­ria­li­tät des Hedo­nis­mus sucht er natür­lich dem­ge­mäss dort, wo es laut genug ist, um sei­ne ein­sa­men Äng­ste und sei­ne Trau­er ob den Ver­lust des Urgrun­des zu übertönen.
Die­ser pan­de­misch anmu­ten­den Krank­heit soll­te die Kir­che ent­ge­gen­ste­hen kön­nen, indem sie nicht Kon­fet­ti, son­dern Stil­le mit Sin­nes­echo zu bie­ten weiss.

Mag sein, dass Mara ein ana­chro­ni­stisch anar­chi­scher und über­aus komi­scher Papist ist. Aber er hat nichts gegen Hipp Hopp, Gos­pel, Psy­cho­the­ra­pie (sic!), Homo­se­xua­li­tät, Sozi­al­ar­beit oder sonst was! Aller­dings ist ihm eine Kir­che, die sich in Anbie­de­rung erschöpft, anstatt sich eine ech­te und leben­di­ge, neu fra­gen­de und reli­gi­ös kern­kom­pe­ten­te Christ­li­che  Renais­sance zu lei­sten, zutiefst zuwi­der und sie bleibt ihm eben auch im ste­ti­gen Ver­dacht am Eigent­li­chen vor­bei zu schlu­dern und unfä­hig zu sein, jenen Suchen­den mehr als ein bil­li­ger Dro­gen­er­satz zu bieten.

Mara ist zwei­fels­frei Mora­list. Ich, der Autor die­ser Zei­len, bin dies auch.
Wie steht es mit Ihnen?

W. Stu­der

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