Wo ist der Meister geblieben

Aus der Serie «Sprachperlen»

Nr60 Krank

Nr60 Krank

(stu) Das was hier wie ein Spät­werk der gros­sen Meret Oppen­heim oder wie eines der preis­li­chen Luxus­wer­ke von Yoko Ono, der geni­al Mer­kan­ti­len aber ewig in den Schat­ten ihres hin­ge­meu­chel­ten Gat­ten ver­damm­ten Künst­le­rin, aus­sieht und uns irgend­wie in sei­nem hos­pi­tal-ästhe­ti­schen Grau­sel-Out­fit mit dem nadel­kis­sen­ar­tig mit Sprit­zen gespick­ten Charme eines knapp den Sta­tus eines seri­ös  gesund­heits­re­le­van­ten Mas­sa­ge­ge­rä­tes ver­fehl­ten Sex-Toys mehr ver­wirrt, als uns lieb sein kann, ist ja auch nur bedingt als ein ledig­lich not-stand-gei­ler Igel mit der kru­den Potenz eines instan­tent­flamm­ba­ren geschlechts­zen­trier­ten Super-Jun­kies zu ver­ste­hen. Nein! Es ist nichts davon und es ist auch nicht ein ala­bast­ri­ges Edel­nichts, geschaf­fen mit dem geho­be­nen Anspruch in der näch­sten Bien­na­le in den Rän­gen zu glän­zen, als hät­te man die fal­sche Beschei­den­heit eben erfun­den und auch gleich mit Löf­feln gefres­sen und viel­leicht noch um eine Sprit­zen­län­ge weni­ger haben wir, das Publi­kum, es mit einem intro­ver­tier­ten Nagel­kis­sen für den edlen Design­be­wuss­ten Fakir zu tun, der im lust­vol­len Erdul­den des Schmer­zes nicht allein sei­ne dunk­len Sei­ten aus­lebt und uns mit der Flam­me der Ein­sicht und der Lust aus­zu­leuch­ten ver­sucht, uns also in die­sem Lich­te den unse­rer unbe­zähm­ba­ren Gier unaus­weich­lich fol­gen­den Domi­no­ef­fekt in den Unter­gang pro­phe­zei­en. Nein!
Es ist auch kei­ne künst­le­risch ver­pack­te Apo­lo­ge­se der moder­nen Medi­zin, die für alles eine Sprit­ze- aber scheints nie genug Ärz­te hat die­se zu appli­zie­ren! Der Psych­ia­ter-Kunst­wer­ker ist ohne­hin viel zu skep­tisch gegen­über den Seg­nun­gen einer Medi­zin, die sich ab und an etwas zu voll­mun­dig im Recht glaubt.
Nein, denn das was hier den weis­sen Norm-Sockel des Kunst­wer­kers krönt, ist auch nicht ein ige­lig gestyl­tes Mar­zi­pan­tört­chen mit mini­ma­li­sti­schem Schock­otop­ping für die Gour­met-Schau der Haut Cui­sine Kon­di­to­ren und Kon­di­to­rin­nen in Paris und es ist eben­so­we­nig eine Gift­qual­le aus den Tie­fen des Pazi­fiks oder ein Virus in der gigan­ti­schen Ver­grös­se­rung eines Modells — aber halt! Stop! Doch, natür­lich! Genau das ist es! Das Modell des Wachs­tums-Virus, der sich in krebs­ar­tig sinn­los wach­sen­der Wuche­rung aus­wirkt, der — wie einst der Gott der Pan­the­isten — omni­prä­sent und sich in allem zur Gel­tung zu brin­gen ver­mag und zwar längst ohne dass wir irgend­wie Ein­fluss neh­men könn­ten. Denn der Virus sitzt in unse­ren Köp­fen und lässt uns das tun, was er will und zwar so, dass wir glau­ben Her­ren jeg­li­cher Situa­ti­on zu sein, ein Recht auf alles und jedes zu haben, was kon­su­miert wer­den kann und von dem wir über­zeugt sind, es sei Teil des uns auf jeden Fall zuste­hen­den Glücks. Wir alle sind jener Zau­ber­lehr­ling, der in Abwe­sen­heit sei­nes Mei­sters sich des­sen Zau­ber­stab aneig­net, um selbst ein­mal eine Run­de zu zau­bern und zwar zum Zwecke der eige­nen Befrie­di­gung, was ihm dann kata­stro­phal aus dem Ruder und ider­art über den Kopf wächst, dass nur der glück­li­cher­wei­se gera­de noch im letz­ten Moment zurück­keh­ren­de Mei­ster den end­gül­ti­gen Unter­gang abwen­den kann. Aller­dings scheint mir, dass in unse­rem Fall kein Mei­ster mehr zur Ver­fü­gung steht, um jetzt, also im letz­ten Moment, dem gan­zen Wahn Ein­halt zu gebie­ten. Wo nur ist der Mei­ster geblieben?

Das Feu­er, des­sen Fun­ken den pyro­ma­nen Virus end­gül­tig zum letz­ten Brand ent­fa­chen wird, ist längst geschürt — uns wird nicht ein­mal mehr die Zeit ver­gönnt sein, neu­deutsch und in der dem Hedo­nis­mus ver­an­ker­ten Bor­niert­heit cool fest­zu­stel­len “shit happens“.

W. Stu­der

Besu­chen Sie die Werk­seite von Nr60 (mit  wei­te­ren Bil­dern, Werk­daten und Klassifikation)

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert