Glück auf!
Aus der Serie «Sprachperlen»
(stu) Wieder ein Werk wie aus der Boutique für das gehobene Wohn-Accessoire in einer so wohl massierten Ästhetik, dass niemand auf Anhieb auf die Idee käme, sich mit der netten Typographie auch inhaltlich einzulassen: In diesem Doppelrahmen-Ensemble ist optisch das GLÜCK dem GLEICH harmonisch gleichgewichtig und gleichberechtigt zugesellt und man ist schnell versucht, die Verheissung GLÜCK GLEICH zu lesen oder noch besser umgekehrt das rein hedonistisch befehlende GLEICH GLÜCK.
Aber nein! Mara weist die zu seinem Werk Nr36 vereinten Begriffe GLEICHHEIT und GLÜCK als zwei sich gegenseitig ausschliessende Unvereinbarkeiten aus. Als unbedingt als paradigmatisch-programmatisch paradoxales UNEINIGES EINS zu verstehen. Also ein weiteres Mal ein OXIMORON, das erst in der Umkehrform von GLÜCK GLEICH UNGLEICHHEIT sinnfällig deutlich aber halt weniger hinterhältig geistreich wahrzunehmen ist. Was genau meint unser VERTRAUTER UNVERTRAUTE (Oximora sind cool!) Kunstwerker Mara nun mit dieser KRYPTISCHEN KLARHEIT (ich kann’s nicht lassen)?
Ist sein Werk Nr36 eine Apologese auf jenes statistisch legendäre Einprozent der Weltbevölkerung, das gut und gerne 75 Prozent des Weltvermögens besitzt? Wiedersetzt sich Mara der jüngsten Einsicht von Weltbank und Währungsfond? Diese Gralshüter des Finanzliberalismus und Wachstums kamen 2014 zur Einsicht, dass die weltweite Ungleichheit auf ein sozial verträglichem Ausmass ausgeglichen werden müsse, damit das ihrer Ansicht nach unbedingt nötige stetige Wachstum auf Dauer garantiert sei. Armut und Elend sind gewiss keine Glücksbringer und Mara gewiss kein Soziopath — zumindest nicht mehr als Sie und ich es menschlicherweise auch sind.
Oder zielt er womöglich mit seiner apodiktischen These in die Felder des Psychologischen, Psychosozialen und Soziologischen? Nun, dort gilt, durch eine Unmenge von wissenschaftlichen Untersuchungen seit den 70-er Jahren des letzten Jahrhunderts bis heute erhärtet, das, was der Volksmund sprichwörtlicherweise und trotz den die Regel jeweils bestätigenden Ausnahmen längst weiss: GLEICH UND GLEICH GESELLT SICH GERN — und was der Volksmund weiss, hat der Psychiater Mara mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit längstens auch kapiert.
Worum also geht’s ihm dann? Welche Ebene menschlichen Seins und Bewusstseins, welchen Status im menschlichen Spektrum der Wahrnehmung nimmt Maras Aussage denn sonst ein? Mara führt mit seinen per se widersprüchlichen Aussagen seinen ureigenen PHILOSOPHISCHEN PLOT ein, und diesen kunstwerkend aus. Er konstruiert und postuliert seinen KONTRAPUNKTISCHEN KATEGORISCHEN IMPERATIV, den er als menschlich unfair aber nichtsdestotrotz mit Nachdruck als WAHR bekräftigt, womit sich Mara ganz in der Tradition des Philosophierens befindet, wo UNBEWEISBARE BEWEISE (ups, ich oximoronne ja schon wieder) die pure Dogmatik darstellen. Und genau hierin treffen und verbinden sich die Wesenszüge jeglicher Kunst und jeglichen Philosophierens zu einer wunderbaren und in eine absolute Überordnung hinein WAHR werdenden unspaltbaren Einheit: Es sind stets Aussagen, die nie wirklich zu behaften sind und die sich immer erst beim Wegschauen für einen Moment ohne Dauer als Wetterleuchten des universellen Geistes diesem selbst, gewissermassen im Spiegel des Menschen, als WAHR zu erkennen geben.
GLÜCK AUF!! Schauen wir hin und dann schnell mal weg — versuchen wir Spiegel des Geistes zu sein, indem wir unser Spiegelbild betrachten — übrigens: bei dieser Wahrnehmung des Abglanzes von Schönheit ist Eitelkeit eine Zier!
Nov 2014, W. Studer
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