Flugzeugsperrholz 40mm, Acryl, 22x17x9cm (LxBxH), © mara 2014
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Inspiration
Hätte die Evolution des Menschen als 100-Meter-Lauf stattgefunden, so hätte der Läufer am Start in Afrika begonnen Steinsplitter1) zu bearbeiten, nach 20m Steinwerkzeug2) anzufertigen, nach 40m mit dem Feuer3) zu spielen, nach 64m in Europa4) aufzutauchen, nach 84m Speere5) zu werfen und nach 92m weise6) zu werden. Aber erst auf den letzten 3cm [sic!] dieses 100-Meter-Laufs wäre die Post so richtig abgegangen — mit einer Bevölkerungsexplosion7) um das 14-Fache.
Nicht hinschauen
«Ausgerechnet Ihr überragender (evolutionärer) Erfolg ist der Menschheit zum überragenden Problem geraten. Wer sollte da schon hinschauen wollen» → Nr30 Klimax
Das Werk
<Nr45 Eskalation> ist ein weiteres Schaustück ästhetischer Interpretation des Wachstumwahns und zeigt den bislang letzten Abschnitt der explosiven Wachstumskurve des Menschen. Ungekürzt wäre das Werk auf der horizontalen (x-) Achse mehr als 50 m [sic!] lang. Kunstsprech: DELUSION-ART
Klassifikation
<Nr45 Eskalation> ist ein Werk aus dem Werkraum Wachsdum
Bekanntgabe
Nov 2014 → zum Artikel 100-Meter-Lauf
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Die Pest ist ein Aperçu
Kommentar zum Werk Nr45
Ein Hauch von edlem Holzspielzeug von unschuldiger Handwerklichkeit und abstrakter plastischer Qualität, zwischen PASTORINI und VISA GLORIA zu assoziieren. Auch gerade mit seiner fast pudrig feinen Oberfläche zeigt sich das neuste Produkt als künstlerische Spielerei in Weiss und Rot und — als lichtes stehendes Mobile schwebend erscheinend — als eine der Ästhetik CALDER’S verpflichtetes Werk, das in seinem Sinne auch als UN BLANC ET UN ROUGE betitelt werden könnte.
Da ist dann auch noch dieser fast zu übersehende Knick in der in Weiss und Rot ansonsten wunderschön harmonisch figurierten Bucht. Gleichsam einem gestalterischen Aperçu, spontan entwachsen der Intuition des Autors als raffiniert hübsche Unregelmässigkeit, die der Betrachtung zusätzlich Anreiz verleiht.
Nun gut. Die Lust der Betrachter hält sich ja dann doch ziemlich in den Grenzen der unschönen Realität, die sich in der im Werk von Mara tatsächlich wiedergegebene Kurve des weltweiten Wachstums der menschlichen Spezies unmittelbar präsentiert.
Wobei — aus Platzgründen hat der Dokumentarist offenbar nicht einmal die vollständige Kurve zu zeigen vermocht, sondern nur quasi den jüngsten Abschnitt dieses in dramatischer Exponentalität in die Unvorstellbarkeit einmündenden Verlaufes. Den Massstab des Werkes einhaltend nämlich, hätte der Kunstwerker, wollte er wirklich auch den Beginn der Kurve darstellen, mehr als 50 Meter dem bereits bestehenden Part voransetzen müssen!
Wer nun findet, mara sei ein fantasieloser Angstmacher, reagiert wie jener König, der die Überbringer schlechter Botschaften hinrichtet — damit er die noch verbleibende Zeit im Hochgefühl seiner vermeintlichen Allmacht verleben kann.
Das genannte bildliche Aperçu, jene kokett reizvoll geistreich die Hauptkurve leicht störende Kerbe übrigens entspricht der im späten Mittelalter nicht nur in Europa grassierenden Pest. Die Pest also, entlarvt als gewissermassen ein letztlich unerhebliches Moment im tödlichen Gleichmass der grafischen Schönheit der Populationskurve des Menschen.
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1) Homo habilis ca. 2,5 Mio. Jahre, 2) Homo ergaster ca. 2 Mio. Jahre, 3) kontrolliertes Feuer ca. 1,5 Mio. Jahre, 4) Homo heidelbergensis ca. 900’000 Jahre, 5) Wurfspeere ca. 400’000 Jahre, 6) Homo sapiens ca. 200’000 Jahre, 7) Bevölkerungsexplosion um das 14-Fache in weniger als 700 Jahren (ca. 1350/0,5 Mia → 2014/7,2 Mia)