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Vom Spiessbürger zum gespiessten Bürger

Prolog zum Werk Nr107

«Wir waren jene, die wuss­ten, aber nicht ver­stan­den, vol­ler Infor­ma­tio­nen, aber ohne Erkennt­nis, rand­voll mit Wis­sen, aber mager an Erfah­rung. So gin­gen wir, von uns selbst nicht auf­ge­hal­ten» — Roger Willemsen

Man ist von Spie­ßern nicht nur umge­ben, man sieht lei­der auch täg­lich beim Blick in den Spie­gel einen. Nie­mand mag das zuge­ben, meint doch der Spott­be­griff «Spiess­bür­ger» heut­zu­ta­ge einen Men­schen, der sich dem Fort­schritt ver­schliesst und gei­stig rück­stän­dig ist. Das war nicht immer so!  Ein Spiess­bür­ger zu sein war ursprüng­lich aller Ehren wert und bezeich­ne­te einen tap­fe­ren Bür­ger, der sich mit sei­nem Spiess zu weh­ren wuss­te. Das war im Mittelalter…

Wie wir moder­nen Spiess­bür­ger zu gespiess­ten Bür­gern wur­den, wofür sich das Coro­na-Virus als Schwar­zer Peter gera­de­zu anbie­tet, und war­um wir für die Spiess­bür­ger von damals eine Lan­ze wer­den bre­chen müs­sen — all dies war hier der inspi­rie­ren­de Stoff für des Kunst­wer­kers hei­ter ver­ge­be­nes Tun. Und so freue ich mich sehr, Ihnen das WERK NR107 SPIESSBÜRGER mit wei­te­ren Bil­dern, Werk­da­ten und einem Kom­men­tar von W. Stu­der vor­stel­len zu können.

Mara/Feb 2020

 

Wer geht mit wem?

Aus der Serie «Sprachperlen»

Nr54 Smartphone

Nr54 Smart­phone

(stu) Von zwei Schüs­sen getrof­fen konn­te sich der Frem­de im unweg­sa­men Gelän­de des Gebir­ges vor sei­nen Ver­fol­gern nur sehr knapp hin­ter einem der tau­send Fel­sen ver­stecken — nur um nach weni­gen Tagen des Ver­har­rens an sei­nen Wun­den zu ster­ben. Als er, der wahr­schein­lich ein Agent aus dem Süden war, end­lich gefun­den wur­de, war sei­ne Lei­che ein trau­ri­ger Anblick und die zustän­di­gen Behör­den und ihr Wis­sen­schafts­dienst sich­te­ten die Reste sei­ner Klei­dung und die weni­gen Uten­si­li­en, die er in einer Art Män­ner­ta­sche mit sich führ­te. Nein, ein Smart­phone war nicht dabei, aber der vor rund 7000 Jah­ren im Brennerge­biet kläg­lich Ver­bli­che­ne, als Ötzi bekann­te, hat­te eine Schnur mit etli­chen in unre­gel­mäs­si­gen Abstän­den ein­ge­ar­bei­te­ten Kno­ten bei sich — ein Itin­erar also, dem die wesent­li­chen Weg­strecken der unter­nom­me­nen Rei­se abzu­lei­ten und mit dem Win­kel und Gestir­ne anzu­pei­len waren […]

 

Serra und Zeitmaschine: Ein Schlüsselfall

Aus der Serie «Sprachperlen»

Nr53 Freiheit - Sicherheit

Nr53 Frei­heit — Sicherheit

(stu) Dort wo im Sur­sel­va die Rus­sein von Nor­den zu Tale fällt um dann in der Soh­le brav in den noch jun­gen Vor­der­rhein ein­zu­flies­sen als wär nichts gesche­hen, wird bis­wei­len mit Erfolg nach aus­ge­wa­sche­nem Gold gesucht. Die Gold­su­cher schwen­ken in gedul­di­gem Ritu­al ihre Sie­be zwi­schen eini­gen Stei­nen, die stel­len­wei­se wie zufäl­lig geschich­tet erschei­nen — ein Phä­no­men, das ja in die­ser wil­den Gegend durch­aus bekannt ist. Was soll­te im übri­gen, fragt sich viel­leicht der Gold­jä­ger in einer Ver­schnauf­pau­se den Schweiss von der Stir­ne wischend, eine Mau­er quer über den an die­ser Stel­le in der Regel als Bach, wenn nicht Bäch­lein, ziel­los dahin­plau­dern­dern Vor­der­rhein […]

 

Zeit- und Denkraub

Weichgekocht und entseelt

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“Nicht jede Ver­schwö­rungs­theo­rie ist gefähr­lich, manch­mal ist es gefähr­lich, kei­ne Ver­schwö­rungs­theo­rie zu haben“ — Danie­la Dahn

Lassen Sie uns nachdenken

Etwa dar­über, dass sich die Welt­­bevöl­kerung seit Beginn des 19. Jahr­hun­derts mehr als ver­sie­ben­facht hat und täg­lich (sic!) um na­hezu eine Viertel­­million Men­schen wei­ter wächst. Dar­über, dass die­se Bevöl­kerungs­explosion ver­drängt wer­den muss, weil der Zwang zum zins­ba­sier­ten Wirt­schafts­wachs­tum letzt­lich vor­aus­setzt, dass immer mehr Kon­su­men­ten “immer mehr Mehr” kon­su­mie­ren. Also wir. Sie und ich. Sie und ich und die Ande­ren. Mög­lichst rund um die Uhr. Mit Giral­geld und auf Pump. In immer grös­se­ren Kon­sum­tem­peln oder ger­ne auch gren­zen­los — die vor­läu­fig letz­te Rake­ten­stu­fe des uner­sätt­li­chen Wachs­tums­wahns — im World Wide Web. Mit Glanz & Glo­ria und Frac­tion­al Life. Von Wer­be-Mil­li­ar­den, Kup­pel-Shows, Frau­en­tausch und Hartz-IV-Tele­vi­si­on weich­ge­kocht und ent­seelt. Auf der ver­meint­li­chen Sie­ger­sei­te der Schwei­ge­spi­ra­le klein­mü­tig aber poli­tisch kor­rekt mit den Wöl­fen heu­lend und klickend. Las­sen Sie uns nach­den­ken dar­über, dass unser zins- und zin­ses­zins­ba­sier­tes Finanz- und Wirt­schafts­sy­stem uns näch­stens wie­der an die Wand fah­ren wird und las­sen Sie uns schliess­lich erken­nen, dass uns die zuneh­men­de Bou­le­var­di­sie­rung von Poli­tik und Gesell­schaft nicht nur die Zeit zum Nach­den­ken raubt, son­dern durch Spal­tung in orts‑, bin­dungs- und ori­en­tie­rungs­lo­se Ein­zel­mas­ken — der ent­fes­sel­te Sin­gle als per­fek­ter Kon­su­ment — letzt­lich auch jeg­li­che Fähig­keit zu Soli­da­ri­tät und Demokratie…

Ent­we­der nie­mand ist schuld oder wir sind es alle — Demut und Bil­dung tut Not.
Mara / kunst & wach

 
Unsere enorm produktive Wirtschaft verlangt, dass wir den Konsum zum Lebensinhalt machen, dass wir den Kauf und Gebrauch von Waren in Rituale verwandeln, dass wir unsere spirituelle Befriedigung, unsere Ich-Befriedigung im Konsum suchen. Wir müssen dafür sorgen, dass immer mehr Dinge konsumiert, verbraucht, aufgetragen, ersetzt und weggeworfen werden. — Victor Lebow