molten quarz watch, Ständer schwarz, LED-Streifen mit Netzgerät, 25x25x175 cm (LxBxH), © mara 2016
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Inspiration
Für die Hochzeit nach der Hochzeit: Besser ein mutiges LEBEN UND LEBEN LASSEN als ein banges DU SOLLST MICH GLÜCKLICH MACHEN
Werk
<Nr85 Hochzeit> ist ein weiteres Schaustück linguistisch eigenwilliger Interpretation des Hochdeutschen, eine Travestie über Hochzeiten und Tiefzeiten – und eine Hommage auf eine liebenswerte Braut. Kunstsprech: WEDDINGMANIART
Zum Werkkommentar
Klassifikation
<Nr85 Hochzeit> ist ein Werk aus dem Werkraum Deutung
Bekanntgabe
Sep 2016 → Eine Hochzeit für die Hochzeit, Prolog zum Werk Nr85
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Nichts für Feiglinge
Kommentar zum Werk Nr85
von Walter Studer
(stu) Ein mannsgrosser schwarzer Ständer dessen Spitze eine jener zerfliessenden “Camembert” Uhren trägt, die denjenigen des Surrealisten Salvador Dali nachempfunden sind. Die solcherart hochgehobene Zeit verbildlicht natürlich die HOHE ZEIT bzw. wie es heute zusammengezogen heisst HOCHZEIT und das Dali-Zitat mahnt an, dass wie Einstein bewies, die Zeit relativ und — so sagt wiederum Einstein — sie also nur ist, was man auf der Uhr abliest. Diese von Mara bewusst zitierte seltsame und letztlich nur dem Gefühl rein zugängliche Qualität der Zeit beinhaltet Freude und Qual, Spannung und Langeweile und alle anderen erdenklichen Gegensatzpaare die ein Leben und, wie bei der HOCHZEIT offiziell angesagt, ein willentliches Zusammenleben eines sich liebenden Paares so mit sich bringt. Ein wunderschönes und gestyltes Hochzeits-Geschenk und ein wahres MEMENTO DES LEBENS UND STERBENS, das man im Wohnraum in die Ecke stellen kann ohne es in die Ecke gestellt zu haben!
Dass Prostitution das älteste Gewerbe sei, ist eine Männerphantasie die historisch längstens widerlegt und dementsprechend von wirklich Gebildeten selbst im Smalltalk geächtet wird. Dass die HOCHZEIT, die HEIRAT der älteste und letztlich bis in die Neuzeit der auch merkantil wichtigste Gesellschaftsvertrag der Menschheit ist, bleibt — wie so manche andere Wahrheit — weitum unbekannt.
Soweit menschliche Geschichte überhaupt überschaubar und interpretierbar ist, war die Familie, der Klan und erst sekundär der Stamm oder, ab etwa 1000 n.Chr. die Nation bzw. der Staat von elementarer Bedeutung. Man war sich eben immer schon selbst am nächsten und der Besitz einer Familie wurde durch Heirat erhalten, materiell und politisch möglichst geschickt vermehrt und optimal positioniert. Genau auf diese uns altorientalisch-mittelalterlich vorkommende dynastische Heiratspolitik kamen beispielsweise vor noch nicht einmal 200 Jahren die ganz grossen “fetten” Bauernhöfe des schweizerischen Mittellandes zustande, wie wir dies in den volksnahen Romanen des lützelflüher Pfarrers Albert Bitzius ausführlich erfahren, der unter dem Pseudonym Jeremias Gotthelf schrieb und der nach wie vor zu den Grossen der deutschen Literatur zählt.
Bei diesem so gesellschaftsrelevanten Vertrag blieb die sogenannte LIEBE natürlich in der Regel auf der Strecke, war die Zu-oder Abneigung zwischen den Brautleuten doch unerheblich — verheiratet wurden diejenigen Personen in dem Alter und zu dem Zeitpunkt, die vom Patriarchen oder noch sehr viel früher von der Matriarchin für im dynastischen Sinne geeignet gehalten wurde — so wie das im Orient und tendenziell auch noch im mediterranen Raum und in der Türkei nach wie vor die Regel ist.
Historiker, Soziologen und Psychologen haben seit Mitte des 20. Jahrhunderts die LIEBE als eine quasi Erfindung des aufgeklärten 18. Jahrhunderts und der bürgerlichen Revolution und der revolutionären Zeit der Romantik im 19. Jahrhundert verstehen wollen. Solches mag eine beschränkte Berechtigung haben — zumindest passt es ins Konzept der Zeit und ihrer Wissenschaft — aber es ist mehr als nur kurzsichtig!
Einer der gelehrtesten Köpfe der Antike, ein römischer Bürger der sowohl höchste griechische Bildung und Gelehrsamkeit besass, als auch darüber hinaus als jüdischer Theologe die hochentwickelte altorientalische Esoterik und die ebenso gewichtige Präkabbalistik meisterlich beherrschte, schrieb einen lyrischen Text über die Liebe, den man schon in seiner Zeit als eine transzendente göttliche Eingebung anerkannte. Der folgende Ausschnitt kann diese Überzeugung wohl nur bestätigen:
Die Liebe ist langmütig, sie ist gütig, die Liebe eifert nicht, die Liebe prahlt nicht, sie bläht sich nicht auf, sie tut nichts Unschickliches, sie sucht nicht das ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht an, sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber mit der Wahrheit; sie erträgt Alles, sie glaubt Alles, sie hofft Alles, sie erduldet Alles. Die Liebe vergeht niemals…
Welch ein Gedicht! Zum Weinen schön! Gemeint ist die Passage über die Liebe im ersten Korintherbrief (1 Kor 13 4–8) vom viel geschmähten und viel missverstandenen Paulus, der einmal Saulus war und dessen Texte im Übrigen die ältesten im biblischen Neuen Testament sind — älter als jene der im Kanon enthaltenen vier Evangelisten, älter als die Offenbarung des Johannes und älter als die Apostelgeschichte. Natürlich wird niemals ein Mensch diesem Ideal entsprechen können. Es ist eine der platonischen URIDEEN und eines der SEPHIROT des jüdischen ADAM KADMON, die vom Menschen nicht erfüllt werden können. Aber diese URIDEEN sollen vom Menschen angestrebt werden — nicht um einen Wettbewerb zu gewinnen, sondern um den Kern dieser Ideen in uns selbst zu finden, wieder zu entdecken, sie als Samenkorn aufzunehmen und wachsen zu lassen — ohne Scham vor unserer durch und durch materiell und rational determinierten Welt, der das ungebremste materielle Wachstum zum Götzen geworden ist.
Es würde uns allen guttun, vermehrt oder überhaupt einmal die eine oder andere der ganz grossen Liebesgeschichten der Welt kennenzulernen. Etwa die jenes Grossmoguls der seiner verstorbenen Liebe ein überirdisch schwebendes Grabmonument aus weissestem Marmor errichten liess, der TAJ MAHAL, der dann im angelegten Teich wundersam die EWIGE LIEBE spiegelte und dem noch lebenden Liebenden die Tränen der Sehnsucht entströmen liess.
Oder die ebenfalls wahre Geschichte der ukrainischen Harems-Sklavin ROXELANA, deren Herr sich unsterblich in sie verliebte und ihr — die ihn den Osmanen SÜLEIMAN I. den Herrscher über das ehemalige römische Reich ebenso wiederliebte — zum Skandal für die damalige Welt Liebesgedichte zu schreiben begann und seine Liebste zur Mitregentin und Erbin seiner Macht erhob.
Oder schliesslich auch nahezulegen die erdichtete Geschichte über jenen Cyrano de Bergerac, dem Musketier, Haudegen, Redner, Poet und früher Science Fiction Fantast und Präastronaut (er hatte vor auf den Mond zu fliegen — und das als ein Zeitgenosse des 17. Jahrhunderts!). Diese historische Persönlichkeit hat Ende des 19. Jh. der Dichter EDMOND ROSTAND in einem Versdrama zum tragikomischen Helden der Liebe gemacht: Als alternder Mann mit auffällig grosser Nase hilft er seinem jungen und tapsig-tumben Kampfgenossen das Herz seiner Verehrten ROXANE zu gewinnen, indem er diesem wundervolle Liebesgedichte für die Geliebte schreibt und ihm gar in der Nacht unter dem Balkon der Angebeteten als Souffleur dient. Diese Bemühungen CYRANOS sind sehr erfolgreich, denn ROXANES Herz entflammt in Liebe für den Autor aller dieser schönen Liebesverse, den sie, wie geplant im jungen Liebhaber vor sich zu haben vermeint, was wiederum höchst tragisch ist, ist doch CYRANO selbst schon lange vorher in ROXANE verliebt! Allerdings scheint ihm in Anbetracht seines Alters und Aussehens seine Liebe aussichtslos und so ist er absurderweise ein HOFFNUNGSLOS ERFOLGREICH LIEBENDER, was bei aller Tragik wahrlich nicht das Schlechteste ist, was einem Menschen passieren kann.
Wie auch immer: LIEBE ist nichts für FEIGLINGE, aber ein vorsichtiger Versuch kann nicht schaden — das gleiche gilt im Übrigen natürlich auch fürs HEIRATEN. Na bitte!
Sep 2016, W. Studer
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