SW-Druck auf oranger Basis, Galerie-Rahmen mit Passepartout 42x32x3 cm (LxBxH), © mara 2016
Soweit die Zuverlässigkeit herrscht, läßt sich alles beherrschen
Lü Bu We (um 300 — 235 v. Chr., chinesischer Kaufmann)
Werk
Oh welche Gnade, das unreflektierte Alltagsleben „vor sich hin“. Ohne die Last grundsätzlicher Gedanken (schon gar nicht philosophischer) lebt es sich augenscheinlich leichter. Diese begnadete „Leichtigkeit des Seins“ hat allerdings ihren Preis in ratloser Irritation. Ratlose Irritation ob unseres Wiederholungszwangs in den immer gleichen sozialen Konfliktsituationen oder ratlose Irritation ob der Unmöglichkeit, gegensätzliche Bedürfnisse unter einen Hut zu bringen. Dies ist die Folge unreflektierter fundamentaler Gegensätze unserer Bestrebungen. Es ist irritierend, schwer zu akzeptieren und es ist evident: Freiheit und Verlass sind nicht gleichzeitig zu haben. Alternativen schliessen sich aus.
<Nr88 Gegensatz 6> Unreflektierte fundamentale Gegensätze unserer Bestrebungen (hier Freiheit und Verlässlichkeit) lassen uns scheitern am ratlosen Wiederholungszwang des SOWOHL ALS AUCH. Kunstsprech: CONTRAST-ART
Zum Werkkommentar
Klassifikation
<Nr88 Gegensatz 6> ist ein Werk aus dem Werkraum Gegensatz
Bekanntgabe
Nov 2016 → Unverlässliche Freiheit oder unfreie Verlässlichkeit, Prolog zum Werk Nr88
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Das Sausen des Peitschenschlages
Kommentar zum Werk Nr88
von Walter Studer
(stu) Nun hat er wieder zugeschlagen, unser SERIAL WIDERBORST und Kunstwerker, unser ewiger Dorn im Fleisch der Bequemlichkeit, unser tendenzieller Neststörer und unser latent misanthropischer Menschenfreund. Ich gehe mindestens davon aus, dass sich Mara zunehmend zum Kurzschläfer und also zum Langgrübler entwickelt, der nur deshalb nicht den Wölfen der Depression Beute wird, weil er im Kern ein sonniges Gemüt geborgen hält, das selbst dann noch den Humor sucht, wenn dieser längstens schon das Weite gesucht hat — ein zweckneurotischer Humorist und zwanghafter Wundenbohrer eben, der in diesem auch existentialphilosophischen Habitus immerhin stets dafür sorgt, dass — um beim Bild zu bleiben — der Blutfluss niemals aufhört und sich das Wundfieber erst gar nicht einzustellen vermag. Ganz nach dem Motto besser im Denkvorgang auszubluten als in der Blutvergiftung der Gedankenlosigkeit dumpf vor sich hin zu siechen, streut uns Mara den Sand statt in die so überaus schlafwilligen Augen in das Getriebe des saturierten Alltags bzw. in das Getriebe der Bereitschaft aus jeglicher Not Befreiung zu erhoffen.
Längst schon, sollte man meinen, hat der Kunstwerker und haben wir begriffen, dass FREIHEIT allenfalls als ein HOTSPOT DER VIRTUALITÄT zu verstehen ist. Es ist halt eben der CHARAKTER DER FREIHEIT ein PLATONISCHER, den wir nur — wie Platon dies im Höhlengleichnis klar stellt — als SCHATTEN, GEWORFEN AUS DER UNFASSLICHEN ABSOLUTHEIT DER WIRKLICHKEIT DES GEISTES AUF DIE HÖHLENWAND DER FASSBAREN GEGENSTÄNDLICHKEIT vage erfühlen. Einen allerdings mehr als flüchtigen Charakter, den wir von Mal zu Mal neu finden, ja erfinden müssen. Denn ohne die IMAGINATION VON FREIHEIT — und sei sie noch so dürftig und ohnehin der Wirklichkeit niemals adäquat zu formen — müssten wir in einer SKLAVEREI der schieren BEWUSSTHEIT DETERMINIERTER EXISTENZ leben und vor allem auch sterben.
Wenn uns also der Kunstwerker als Einpeitscher auf der GALEERE DES LEBENS jenen Ruderschlag aufzwingt, der uns schnellst möglich an den Rand der grossen Scheibe bringt — als die unser Unterbewusstsein uns nach wie vor die Welt vermittelt — und uns endlich über deren Rand blicken lässt, den wir dann als eben jenen vielzitierten Tellerrand erkennen, über den hinaus zu schauen sich — so wird vermutet und als sicher unterstellt — irgendwie lohnen soll, hat diese seine manische und unverbesserliche Kunstwerkerei insgesamt, inklusive die vorliegende Nr88 des Gesamtouvres und Nr6 der Serie GEGENSATZ möglicherweise einen Sinn! Und diese Möglichkeit der Sinnträchtigkeit ist ontologisch — also die philosophisch haftbar zu machende Sinnhaftigkeit betreffend — wahrscheinlich schon mehr, als unsereins vom Leben zu erhoffen hat — was wiederum die Frage nach der Sinnhaftigkeit des Philosophierens aufwirft. Hier aber will ich abschliessen, denn zum einen ist diese Frage eine in die absolute Verästelung der krassesten Verblödung führende andere Geschichte und zum zweiten soll auf der GALEERE DES LEBENS zwischenzeitlich, das heisst, wenn wir des Elends müde sind, jener Frohsinn gepflegt werden, der jede der vielen vielen ZWANGSLÄUFIG NOTWENDIGEN LEBENSLÜGEN auf Lebens-Dauer aufrecht erhält und den Eindruck von Normalität und Gemütlichkeit zum wärmenden Hafen hochstilisiert.
Geniessen wir die unprätentiöse schlanke Ästhetik von Nr88 FREIHEIT VERSUS VERLASS aus der Serie GEGENSATZ und schlucken wir die bittere Wahrheit seiner Aussage derart mit Zuckerguss überzogen. Der nächste PEITSCHENHIEB jedenfalls kommt bestimmt — wenn wir genau hinhören ist da schon sein Sausen in den Lüften!
Nov 2016, W. Studer
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