Modell-Puppe Hartholz, durchbohrt von Taktstock schwarz mit Holzgriff, 20x20x30cm (LxBxH); © mara 2020
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Wissend, dass der wahre Spießer nicht zuletzt auch jener ist, der das Wort «Spießer» für jene verwendet, die ihm aus welchem Grund auch immer unliebsam sind.
Inspiration
Vom wehrhaften Spiessbürger
Ein Spiessbürger zu sein war ursprünglich aller Ehren wert, bezeichnete der Begriff doch einen wehrhaften Kleinstädter. Wenn es mal wieder gegen alte Rittersleut’ ging, die hoch zu Ross im Vorteil schienen aber eingezwängt waren in enge Rüstungen, wartete das mit Spießen bewaffnete Fußvolk auf den richtigen Moment, holte die Blaublütler vom Pferd und drehte den Spieß um. Der Adel lag vor den Bürgern im Staub. Die ehrenhaften «Spießbürger» waren auf der Welt. Das war im Mittelalter. Erst später wurde der «Spießbürger» zum Spottbegriff für Rückständigkeit und Engstirnigkeit, weil die Spiessbürger weiterhin — nachdem andernorts längst effektivere Waffen eingesetzt wurden — an ihren Spießen festhielten, unzeitgemäss aber wehrhaft wie ihre Urgrossväter.
Zum modernen Spiessbürger
Ganz anders wir modernen Spießbürger, die wir uns selbstgefällig und frei von Zweifeln dem Bestehenden überantworten — wir wehren uns nicht. Wir wehren uns nicht gegen die mörderischen Folgen unseres verzinsten Geld- und Wirtschaftssystems, welches explosive Pulverfässer hervorbringt. Weltweit. Wir wehren uns nicht, wenn ganze acht (sic!) Menschen so viel besitzen, wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung (Oxfam). Wir wehren uns nicht gegen einen Zins-Satz, der zum sozialen Spreng-Satz wird und achtzig Prozent der Menschen zu Verlierern unseres Geldsystems macht (B. Senf). Nein, wir wehren uns nicht. Wir lassen uns — willig weil gierig — durch irreführende Profitversprechen («lassen Sie ihr Geld für sich arbeiten») zu genarrten Trittbrettfahrern des brutalen und menschenfeindlichen “Geschäftsmodells” Fiat-Money (Geldschöpfung aus dem Nichts) machen oder aber — mal schadenfreudig mal neidisch — zu duldsamen passiven Zaungästen, derweil der Zins- und Wachstumswahn die Umverteilung von Fleissig nach Reich explodieren lässt.
Wir wehren uns nicht. Verstehen es nicht. Trauen uns nicht.
Dafür sorgt nicht zuletzt ein medialer Mainstream, der zum einen die vermeintlichen Feinde seiner Herren am Pranger der Öffentlichkeit diskreditiert und zum anderen — sekundiert von Politik, Stiftungen, Think-Tanks, Elitennetzwerken und Lobbygruppen — eine freie, öffentliche Debatte durch Meinungs- und Empörungsmanagement untergräbt und die Liste der öffentlichen Denk- und Sprechverbote fast täglich verlängert. Überzogen von einer Flut von Informationen haben ja gerade wir “gebildeten” Spiessbürger die Illusion von Informiertheit. Wir fühlen uns über alles Wesentliche unterrichtet um abends “aufgeklärt” und mit politisch reinem Gewissen ins Bett zu steigen — rinks, lechts oder eingemittet. Statt aufzuwachen leben wir in einer progressiven geistigen Finsternis, in der wir nicht einmal mehr die — politisch korrekten — Ketten um unseren Verstand wahrnehmen, und stürzen uns wie Lemminge in den Abgrund der globalen Finanzeliten — mittlerweile mit Negativzinsen und einer weltweiten Verschuldung, die längst so hoch ist, dass sie nicht mehr durch Tilgung rückgängig gemacht werden kann…
Wir modernen Spiessbürger sind die gespiessten Bürger am Taktstock des ZinsesZins — selbstgefällig und frei von Zweifeln.
Unser Geldsystem hat fertig!
Das ist keine Frage des Ob, nur eine des Wann. Denn unser Geldsystem mit Zins und Zinseszins explodiert in der realen Welt an seiner Exponentialität – nicht Links, nicht Rechts, nicht Oben oder Unten sondern — mathematisch. Das ist erstickend und das ist wahr. Und nun bricht in Wuhan, dem einzigen Ort in ganz China in dem sich ein biologisches Hochsicherheitslabor der Stufe 4 (die höchste) befindet — die USA haben deren elf (sic!) — eine Virus-Epidemie aus, die sich weltweit ausbreiten wird. Eine Pandemie also, die sich geradezu anbietet, als „Schwarzer Schwan“ zum schwarzen Peter des bevorstehenden weltweiten Finanz-Zunami (E. Wolff) gemacht zu werden. Um vom eigenen ausbeuterischen Verhalten und Unvermögen abzulenken. Um weiterhin den Anschein aufrecht zu erhalten, dass man alles Griff hat und das eigene Geldsystem das einzige Richtige ist. Um nicht zuletzt die überlebenden modernen Spiessbürger nach dem Crash ungeniert auf eine weitere Runde Wachstumswahn mit Zins und Zinseszins schicken zu können…
Nun ja, eigentlich muss man für die geschmähten Spiessbürger des Mittelalters eine Lanze (einen Spiess) brechen. Sie waren vielleicht unzeitgemäss — haben sich aber immerhin noch gewehrt.
Werk
Gleichermassen wie die Schlechtwetterfront, die sich aus Sicht der Meteorologie aufgrund der Summe aller zeitlichen, globalen und lokalen (Rahmen-) Bedingungen ergibt, lassen sich gesellschaftliche “Sitten und Gebräuche” (hier unser letztlich selbstzerstörerisches zinsbasiertes Geld- u. Wirtschaftssystem) letztlich als Elemente einer Rahmenhandlung verstehen, die sich aufgrund der Summe globaler, lokaler und persönlicher (Rahmen-) Bedingungen der Sozietät ergibt. Rein sprachlich (nicht aber in der Sache) bliebe demnach sowohl ein mutiges DEN RAHMEN SPRENGEN als auch ein AUS DEM RAHMEN FALLEN zu hinterfragen. Kunstsprech: INTERESTART
Entweder niemand ist schuld, oder wir sind es alle — Demut tut Not.
→ Zum Werkkommentar von W. Studer
Klassifikation
<Nr107 Spiessbürger> ist ein Werk aus dem Werkraum Rahmenhandlung
Bekanntgabe
Februar 2020 → Vom Spiessbürger zum gespiessten Bürger — Prolog zum Werk Nr107
Zum gleichen Thema
<Nr100 Die Zinsschraube> und <Nr104 Inflation>
Ein Männlein…
Kommentar zum Werk <Nr107 SPIESSBÜRGER>, von Walter Studer
(stu) Ja, das neue Werk ist wie so oft beim Kunstwerker dermassen hintergründig und gleichermassen provokant nett, dass die Absicht zwar unmittelbar ergründbar ist, aber dennoch oder gerade deswegen ein gewisses Unbehagen in Kopf und Herz hinterlässt. Und diesmal hat Mara seinen wie üblich beigegebenen Prolog auch noch in einem besonders umfangreichen und informativen Umfang ausgeführt, so dass mir eigentlich nichts bleibt, was unbedingt noch gesagt werden müsste. Deshalb bin ich bei der Betrachtung des Werkes meiner ersten Assoziation gefolgt und habe dieser dann eine passende Modifikation verpasst.
Schon beim ersten Blick auf Nr.107 summte mir eine Melodie durch den Kopf. Es war ein Kinderlied aus dem 19. Jahrhundert von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben, das tatsächlich als Rätselreim gedacht ist, denn das bewusste Lied mit dem Männlein beschreibt eine Hagebutte – ein Umstand der schon damals kaum bekannt war obgleich das Lied sehr beliebt war und sogar heute noch gesungen wird. Möglich also, dass sie meine textliche Abwandlung auch mitsingen könnten, wenn Sie dies denn möchten.
Ein Männlein…
Ein Männlein auf dem Sockel ganz still und dumm.
Es merkt den Spiess zu spät der von hinten rum.
Sagt, wer mag die Puppe sein,
Deren Glieder sind so fein?
Kaum merkt man dass sie tot ist, weil gar so klein.
Das Männlein glaubte immer geschützt zu sein.
Wir sehen es nun alle, das war nur Schein.
Sagt, wer mag das Männlein sein,
Das da hängt im Spiesse fein?
Aus edlem Holze glänzend so schuldlos rein
Das Männlein auf dem Sockel hier aufgespiesst.
Es scheint man könnte meinen, es sei ein übles Biest
Dies Männlein ist nur Gliederpuppe
Modell vom Mensch und seiner Gruppe
Denk ja nicht nach und esse die eingebrockte Suppe!
April 2020, Walter Studer
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