Nr110 Abwägen

Baby­waa­ge SOEHNLE, Acryl­far­be rot, 50x27x20cm (LxBxH); © mara 2020
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Die Waa­ge unter­schei­det nicht zwi­schen Gold und Blei

Aus Ame­ri­ka

Inspiration

Zwi­schen Win­ter und Früh­ling war‘s, als die Welt begann, kom­plett aus dem Ruder zu lau­fen, im Jah­re Zwan­zig­zwan­zig, dem Jahr, wel­ches in der Schweiz mit einer erstaun­lich mil­den Grip­pe­sai­son begon­nen und des­sen Win­ter kaum Schnee in die Nie­de­run­gen gebracht hat­te. Strit­tig war, ob es sich histo­risch gese­hen tat­säch­lich um den Beginn eines neu­en Jahr­zehnt hand­le — strit­tig auch, ob Gre­ta Thun­berg den Frie­dens­no­bel­preis bekom­men sol­le. Unstrit­tig war hin­ge­gen, dass die Chi­ne­si­sche Regie­rung mal wie­der ihr häss­li­ches Ant­litz gezeigt habe im Zusam­men­hang mit einer neu­en Virus­epi­de­mie. Soweit so nor­mal also, der Beginn des Jah­res Zwan­zig­zwan­zig, Busi­ness as usual…

Doch dann ver­brei­te­ten sich vira­len Sta­ti­sti­ken rasend schnell über meh­re­re Kon­ti­nen­te! Glo­ba­li­sie­rung. Die WHO rief eine Pan­de­mie aus und die Regie­run­gen ver­häng­ten Not­recht mit Shut- und Lock­downs über das Wirtschafts‑, Gesell­schafts- und Pri­vat­le­ben ihrer Bür­ger. Hea­ven stood still. Die mei­sten Bür­ger, durch media­le Hor­ror­zah­len und ‑Bil­der in Angst und Schrecken infor­miert, übten Gehor­sam und stan­den wie eine Eins hin­ter ihren Regie­run­gen. In der Schweiz bat die Regie­rung die Ban­ken, doch schnell und unkom­pli­ziert zu hel­fen. Mit Not­kre­di­ten. Die Ban­ken hal­fen ger­ne — schliess­lich bürg­te die Regie­rung bei Kre­dit­aus­fall mit dem Staat — und spra­chen in der Fol­ge schnell (im 30Min Takt) und unkom­pli­ziert (ohne übli­che Boni­täts­ab­klä­run­gen) Ein­zel­kre­di­te bis zu einer hal­ben Mil­li­on Schwei­zer­fran­ken. Dies kam nicht nur im Inland gut an, auch das Aus­land war voll des Lobes über die rei­bungs­lo­se Zusam­men­ar­beit zwi­schen den Schwei­zer Ban­ken und ihrer Regie­rung. Dop­pel­ter Sym­pa­thie­bo­nus für die bei­den also. Sym­pa­thie für garan­tier­te Kre­dit­ge­schäf­te der Ban­ken, Sym­pa­thie für wei­te­re Ver­schul­dung der Wirt­schaft und und Sym­pa­thie für wei­te­re Ver­schul­dung der Staa­tes? Kaum Zweif­ler… Nun ja, in den ersten vier Mona­ten des Zwan­zig­zwan­zig geriet alles ein biss­chen to big to fail. Alle waren voll infor­miert, aber kaum einer wuss­te Bescheid. Hilf­los und vol­ler Angst, macht der Mensch zuerst immer — was die ande­ren tun. Her­den­trieb. Und er hofft, dass er davon­kommt… Nach vier Mona­ten dann end­lich ein Licht am Ende des Tun­nels: die vira­len Sta­ti­sti­ken erlaub­ten den Regie­run­gen eine schritt­wei­se Locke­rung der Shut- und Lock­downs. Erleichterung…

Den Wenig­sten aber war damals klar, dass sie — weit über die gesund­heit­li­chen Fol­gen des Virus hin­aus — bald ein­mal zu Mil­lio­nen welt­weit wirt­schaft­lich, finan­zi­ell und gesell­schaft­lich schwer betrof­fen sein wür­den und — dass das Virus zwar Aus­lö­ser, nicht aber die Ursa­che dafür war.

PS: In den ersten vier Mona­ten des Jah­res 2020 star­ben in der Schweiz

  • 1’737 mit Corona-Virus*)
  • 3‘486 mit Abtreibung**)

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*) Worl­do­me­ters, Update 30-Apr-2020
**) Bun­des­amt für Sta­ti­stik, hoch­ge­rech­net auf­grund Zah­len von 2018 (10‘457 : 3 = 3486) 

Werk

Glei­cher­mas­sen wie die Schlecht­wet­ter­front, die sich aus Sicht der Meteo­ro­lo­gie auf­grund der Sum­me aller zeit­li­chen, glo­ba­len und loka­len (Rah­men-) Bedin­gun­gen ergibt, las­sen sich gesell­schaft­li­che “Sit­ten und Gebräu­che” (hier „Geld regiert die Welt” einer­seits, und unser gott­los wider­sprüch­li­cher Umgang mit dem Tod ander­seits) letzt­lich als Ele­men­te einer Rah­men­hand­lung ver­ste­hen, die sich auf­grund der Sum­me glo­ba­ler, loka­ler und per­sön­li­cher (Rah­men-) Bedin­gun­gen der Sozie­tät ergibt. Rein sprach­lich (nicht aber in der Sache) blie­be dem­nach sowohl ein muti­ges DEN RAHMEN SPRENGEN als auch ein AUS DEM RAHMEN FALLEN zu hin­ter­fra­gen. Kunst­sprech: WEIGHUPART

Ent­we­der nie­mand ist schuld, oder wir sind es alle — Demut und Bil­dung tut Not.

→ Zum Werk­kom­men­tar von W. Studer

Klassifikation

<Nr110 Abwä­gen> ist ein Werk aus dem Werk­raum Rahmenhandlung

Bekanntgabe

Mai 2020 → Die Wage unter­schei­det nicht zwi­schen Gold und Blei — Pro­log zum Werk Nr110

Zum gleichen Thema

<Nr61 Kin­der­leicht> und <Nr105 Unver­gleich­lich>

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Aus der Haut fahren

Kom­men­tar zum Werk <Nr110 ABWÄGEN>, von Wal­ter Studer

Nr110 Abwägen

Nr110 Abwä­gen

(stu) Eine Baby­waa­ge mit einer Auf­la­ge, die lie­be­voll und qua­si kusche­lig zur Schutz ver­heis­sen­den Scha­le geformt scheint, die den Betrach­tern des neu­en Mensch­leins ein Schiff­lein in ein nur Gutes ver­heis­sen­des Leben bedeu­ten soll. Ein Gefühls­mo­ment, das durch die als neu­deutsch als vin­ta­ge zu erken­nen­de Waa­ge noch zusätz­lich als harm­los akzen­tu­iert ist.

Aber oho! An die­sem Objekt des Her­zens hat der Kunst­wer­ker eine zwar mini­ma­le aber nichts­de­sto­trotz skan­da­lö­se magen­ta- bis pur­pur­far­be­ne Spur appli­ziert, die zwar den Farb­ton des Blu­tes nicht ganz wie­der­gibt, die aber in die­ser über­höh­ten Kolo­ra­tur umso bru­ta­ler ins Baby-Gefühl unse­rer unmit­tel­ba­ren Wahr­neh­mung ein­fährt und Hor­ror und Ekel aus­löst. Das Werk Num­mer 110 ist auch, wie immer bei Mara, sau­ber und sei­ner durch­ge­hen­den Ästhe­tik fol­gend deut­lich und nüch­tern beti­telt mit ABWÄGEN und sein Kom­men­tar bzw. sei­ne INSPIRATION erweist auch sein neu­stes Werk als bit­te­re Medi­zin all jenen, die hin­ter dem unsäg­li­chen Elend die kom­men­de Apo­ka­lyp­se noch nicht erken­nen wollen.

Wer die­sen „Bei­pack­zet­tel“ genau liest mag zwar stel­len­wei­se ande­rer Mei­nung sein und da es sich Mara als Künst­ler nicht neh­men lässt, es wie auf dem Schlacht­feld auf allen Ebe­nen gleich­zei­tig kra­chen zu las­sen, ist es der Leser­schaft nicht immer leicht, den Faden der Kohä­renz nicht zu ver­lie­ren und den Durch­blick zu behal­ten. Aber wie das gan­ze Werk Maras, so ist auch das neue­ste Werk und sei­ne INSPIRATION bewusst und unbe­dingt gegen den Strich der poli­ti­cal Cor­rect­ness gebür­stet, denn die­se sei­ne Hal­tung ist wesent­li­cher Teil des Kunst­wer­kens die­ses ewig frei­heit­lich umge­trie­ben, mora­lisch tief betrof­fe­nen Sehers und in sei­ner phi­lo­so­phi­schen Wirk­lich­keit und in sei­ner Enti­tät Ver­wun­de­ten, der genau so wenig aus sei­ner Haut fah­ren kann wie jeder seinesgleichen.

Wor­um dreht es sich alles in allem? Ich zitie­re den Kunst­wer­ker am besten gleich selbst:

“Bei die­sem Werk ging es mir pri­mär … um die Tra­gik des selek­ti­ven Abwä­gens (Ethisch). Ich postu­lie­re damit die Not­wen­dig­keit, unse­re Ent­schei­dun­gen und Hand­lun­gen immer und immer wie­der abzu­wä­gen und nie­mals damit auf­zu­hö­ren, uns mit unüber­wind­bar schei­nen­den Gegen­sät­zen zu kon­fron­tie­ren, statt zu (ver-) urtei­len… Sonst ist irgend­wann die Demut am Arsch.”

WaStudKlein

 

Wal­ter Stu­der, Mai 2020

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