Nr116 RELIGIO (BeDenken)

Kru­zi­fix-Kopf­stand, Holz­sockel schwarz, 13x3x25cm (LxBxH); © mara 2020
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Statt «Was darf ich hof­fen?» fragt die heu­ti­ge Reli­gio­si­tät «Was muss ich fürch­ten?». So hat sich in der west­li­chen Welt eine Öku­me­ne der Ängst­li­chen for­miert, die Schüt­zen­hil­fe von enga­gier­ten Wis­sen­schaf­tern bekommt. Das läuft dann so: Am Anfang steht die Kri­se; die Kri­se begrün­det die Not­wen­dig­keit der For­schung; die Bedeut­sam­keit die­ser For­schun­gen legi­ti­miert ihre staat­li­che Finan­zie­rung; die For­schung im «öffent­li­chen Inter­es­se» braucht eine poli­ti­sche Orga­ni­sa­ti­on – und dort ent­steht zuwei­len, was Wis­sen­schafts­theo­re­ti­ker «sci­en­ti­fic bias» nen­nen. Zu Deutsch: Man fin­det, was man erwar­tet. Und immer ist es fünf vor zwölf.

Nor­bert Bolz

Werk

Mara glaubt nicht an Gott, ver­misst Ihn aber immer mehr. Glei­cher­mas­sen wie die Schlecht­wet­ter­front, die sich aus Sicht der Meteo­ro­lo­gie auf­grund der Sum­me aller zeit­li­chen, glo­ba­len und loka­len (Rah­men-) Bedin­gun­gen ergibt, las­sen sich gesell­schaftliche “Sit­ten und Gebräu­che” — hier die offen­sicht­lich zuneh­men­de Pein­lich­keit des Christ­seins — letzt­lich als Ele­men­te einer Rah­men­hand­lung ver­ste­hen, die sich auf­grund der Sum­me glo­ba­ler, loka­ler und per­sön­li­cher (Rah­men-) Bedin­gun­gen der Sozie­tät ergibt. Rein sprach­lich (nicht aber in der Sache) blie­be dem­nach sowohl ein muti­ges DEN RAHMEN SPRENGEN als auch ein AUS DEM RAHMEN FALLEN zu hin­ter­fra­gen. Kunst­sprech: FAITHART

Ent­we­der nie­mand ist schuld, oder wir sind es alle — Demut und Bil­dung tut Not.

→ Zum Werk­kom­men­tar von W. Studer

Klassifikation

<Nr116 RELIGIO (BeDen­ken)> ist ein Werk aus dem Werk­raum Rahmenhandlung

Bekanntgabe

Dez 2020 → Zuneh­mend pein­lich — Pro­log zum Werk Nr116

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HONI SOIT QUI MAL Y PENSE

Kom­men­tar zum Werk <Nr116 RELIGIO>, von Wal­ter Studer

Nr116 RELIGIO (BeDen­ken)

Zunächst zum Prä­text von Nor­bert Bolz. In ele­gan­ter und frag­los logisch schei­nen­der qua­si rhe­to­ri­scher Kas­ka­de legt er dar…Ja was denn eigent­lich?
Dass wir eine Gesell­schaft von angst­be­ses­se­nen Pes­si­mi­sten gewor­den sind, die mit Steu­er­gel­dern die Wis­sen­schaft dahin brin­gen, dem Kol­lek­tiv der Panik­ge­stör­ten den Grund ihres dis­to­pi­schen Zustan­des zu bewei­sen? Oder dass wir zum Kali­brie­ren der Psy­cho­hy­gie­ne im Hei­lands-Opti­mis­mus unse­rer Vor­fah­ren alles weg­hof­fen sol­len, Coro­na etwa, die Umwelt­zer­stö­rung, die Unge­rech­tig­keit der final auf eine immer rei­cher wer­den­de mini­mal­ste Min­der­heit zie­len­de Finanz­dy­na­mik, die Armut, den Hun­ger, die galop­pie­ren­de Zen­trie­rung der Bil­dung in Rich­tung wirt­schaft­li­cher Brauch­bar­keit, die zu drei Vier­tel unbe­zahl­te Arbeit welt­weit, die dito kaum je bezahl­te Care-Arbeit, die selbst­ver­ständ­lich über­wie­gend von Frau­en erbracht wird, die Migra­ti­ons­pro­ble­ma­tik, den jeder­zeit irgend­wo geführ­ten und gewis­sen Unter­neh­men und Bör­sen­play­ern wie Pen­si­ons­kas­sen und so gewinn­träch­ti­gen Krie­gen und so wei­ter und so fort?
Wie auch immer, der Text von Herr Bolt ist durch­aus zu beden­ken, auch von mir. Aber ich bit­te die Leser, nicht in die den Zei­len imma­nen­te Zweck­ge­müt­lich­keit zu ver­fal­len und bei­spiels­wei­se dar­an zu den­ken, dass Steu­er­gel­der, gebraucht um Klar­heit über ein mög­li­cher­wei­se gefähr­li­ches und uns alle bedro­hen­des Phä­no­men zu gewin­nen, kein Ver­lust, son­dern eine zivi­li­sa­to­ri­sche Lei­stung erster Klas­se dar­stellt. Lasst uns also in die­sem Sin­ne und ohne Ver­drän­gung oder Schön-Schwät­ze­rei, näm­lich im Wis­sen um all die Kata­stro­phen, auch den­je­ni­gen die noch kom­men wer­den, tat­säch­lich wie­der hoffen!

Und damit sind wir bei unse­rem Kunst­wer­ker ange­langt, der als Psych­ia­ter und als ein prin­zi­pi­ell um intel­lek­tu­el­le Wahr­neh­mung bemüh­ter, bei der Got­tes­sehn­sucht, dem wahr­schein­li­chen Urbild der mensch­li­chen Seins­fra­ge, der Onto­lo­gie, dem Urgrund allen Den­kens — wenn der Bauch gesät­tigt ist — ange­kom­men ist, bezie­hungs­wei­se jene Nagel­pro­be des Bewusst­seins anspricht, die in unse­rer Zeit längst die Scham­gren­ze nicht mehr nur allein der Intel­lek­tu­el­len und eli­tär Gebil­de­ten mar­kiert. Was kann ich, der ich beruf­lich und über­haupt als Per­son gei­stes­ge­schicht­lich gewich­tet bin, dazu kom­men­tie­ren, ohne wie ein Sonn­tags­pre­di­ger in ein seich­tes Wohl­ge­fühl zu vermitteln?

Die Sehn­sucht nach Gott, den wir ob als Mann oder als Frau, ob über­haupt mensch­lich (anthro­po­morph) oder wie Hein­rich Böll es in sar­ka­sti­scher und bis­si­ger poli­ti­cal cor­rect­ness for­mu­lier­te als „jenes höhe­re Wesen das wir ver­eh­ren“ sehen oder ver­ste­hen, bleibt uner­gründ­lich und es muss grund­sätz­lich egal sein wel­cher Art die Wesen­heit unse­rer Sehn­sucht ist, denn der Mensch weiss es nie und nim­mer, und wenn er sich den­noch ein ein­deu­ti­ges Bild mit abso­lut deter­mi­nier­ter Leh­re aus was auch immer her­lei­tet, die gegen­über den „Hei­den“ unbe­dingt behaup­tet wer­den will, führt dies wie wir längst wis­sen unwei­ger­lich zu Hass und Krieg, zu Völ­ker­mord und allen nur denk- und undenk­ba­ren Scheuss­lich­kei­ten — so wie es uns jeden Tag begeg­net und so wie es für die christ­li­chen Bekennt­nis­se ver­dienst­voll der Autor Karl­heinz Desch­ner der „Kri­mi­nal­ge­schich­te des Chri­sten­tums“ in zehn Bän­den uns in höch­ster Wis­sen­schaft­lich­keit vor Augen führt.

Auch wenn der Kunst­wer­ker das latei­ni­sche Kreuz mit der über­lan­gen Hori­zon­ta­len auf den Kopf stellt und damit — ganz und gar unbe­ab­sich­tigt — das Sym­bol der Sata­ni­sten, das in der soge­nann­ten „schwar­zen Mes­se“ auf dem Altar umge­kehrt Kreuz, den Wis­sen­den ein Fre­fel dar­stellt oder eben auch, lei­der wie eben skiz­ziert durch­aus sin­nig, das Kreuz zum Schwert macht, als wäre Maras Werk eines jener blut­gei­len Schlach­ten-Denk­mä­ler, die noch immer in der Ver­blö­dung des Publi­kums Vor­schub lei­sten. Mag sein, dass der Kunst­wer­ker mit sei­ner Gestal­tung sei­ner Wahr­neh­mung einer auf dem Kopf ste­hen­den Chri­sten­heit, bzw. Kir­che unwis­send bei eini­gen Leu­ten Asso­zia­tio­nen weckt, die ver­let­zen kön­nen. Aber sei­ne Sehn­sucht nach Gott, oder eben einer ent­spre­chen­den Wesen­heit, ist dem Mensch ein ele­men­ta­res Zei­chen sei­ner Selbst und der Poe­sie sei­nes Füh­lens und die­se Sehn­sucht ist weit mehr, als nur die schwar­ze Kat­ze von Bern­hard Rus­sel, die gar nicht im schwar­zen Raum ist, wo man sie sucht. Mara tut gut daran.

Honi soit qui mal y pen­se, oder Beschämt sei wer Übles denkt.

WaStudKlein

 

Wal­ter Stu­der, Dez 2020

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