Weissblech-Büchse (Holy Spirit beans) geöffnet, Münzen, Zehner-Note, geformtes Licht, 25x25x18cm (LxBxH), © mara 2016
_______________________________
Inspiration
The mass is ended. Der Anteil der Konfessionslosen hat sich seit 1960 mehr als v e r v i e r z i g f a c h t *). Die Landeskirchen setzen in zunehmend existenzieller Not auf Zuwanderung (Katholiken), auf “City Kirchen” (Evangelischer Kirchenbund) und auf Öffnung. Ja, sie öffnen sich und ihre Gotteshäuser. Zum Beispiel der offene St. Jakob im Zentrum von Zürich, “im fröhlichen Getriebe am Stauffacher”, von frühmorgens bis abends geöffnet, “offen auch in unserer Ausrichtung” für Kunst, Tanz, Konzert- und Theateraufführungen und für — Open Yoga. Oder kürzlich in Davos: Optimal gelegenes Gotteshaus lässt leere Holzbänke mit einer Holzbühne überdecken um sich alsbald doppelbödig zu öffnen für Veranstaltungen (und Geld) des — WEF.
Holy Spirit beans, Kirchen, Ausrichtung, Kunst — geöffnet nach Belieben. Eine Rahmenhandlung, what else?
______________
*) Quelle: BFS Strukturerhebung 2012, in Aktuelle Daten aus der Religions‐ und Kirchenstatistik der Schweiz, Judith Albisser, Schweizerisches Pastoralsoziologisches Institut (SPI)
Werk
<Nr75 Geöffnet> Soziale Interaktion wird nicht als losgelöste, unabhängige Einzelerscheinung interpretiert, sondern als von ihrem jeweiligen Rahmen abhängige Zeiterscheinung, eben als Rahmenhandlung. Sowohl das Öffnen von Holy Spirit beans als auch das Öffnen von Kirchen und deren Ausrichtung bekommt erst im jeweiligen (sozialen) Kontext seine Bedeutung. Kunstsprech „RIFFLE-ART“.
Zum Werkkommentar
Klassifikation
<Nr73 Geöffnet> ist ein Werk aus dem Werkraum Rahmenhandlung
Bekanntgabe
Feb 2016 → Doppelbödige Öffnung, Prolog zum Werk Nr75
____________________________
Daniel und die Decke der Oberflächlichkeit
Kommentar zum Werk Nr75
von Walter Studer
(stu) Wieder einmal mehr, bzw. schon wieder, macht es uns der Serien-Kunstwerker und Lusttäter im Kunstschaffen mit seiner Nr75 trotz vielseitiger und kluger Ausdeutung des eigenen Kunstwerkens nicht leicht — und das ist gut so und letztlich unumgänglich. Denn das wirklich Künstlerische ist — in welcher Form es sich auch immer ausdrückt — nie leicht, selbst dann nicht, wenn es sich der Form der Leichtigkeit bedient, sich also darin abbildet und darin zeigt. Und dann auch gleich noch dies ins Stammbuch der Besucher und Besucherinnen dieser Website: Mara betrachtet die Kirche grundsätzlich nicht als ein Konfessionsaffiner und seine Religio — heute nennt man dies etwas ungenau “Spiritualität” — ist transkonfessionell. Dennoch, oder gerade deswegen ist ihm die christliche Kirche nicht gleichgültig, im Gegenteil. Er erkennt und anerkennt die Kirche als von fundamentaler sozialer Relevanz.
Allerdings hat er weniger die Kirche als ECCLESIA, als GEMEINSCHAFT DER GLÄUBIGEN im Auge. Ihm ist die Kirche geistliche und nicht materielle AUTORITÄT, die nicht nur gibt, sondern auch fordert — Demut im Glauben zum Beispiel, denn nur so kann diese Institution ihren Gläubigen jene Sicherheit der Seele und des Gemütes geben, die der Konfession, dem Glaubensbekenntnis nämlich, durch deren zu Grunde gelegte Schriftlichkeit, der Bibel mit altem und neuem Testament, zugeordnet ist. Was auf Anhieb fast als dem Literalismus, dem Buchstabenglauben nahe, aufstossen könnte, hat zwar, wie gesagt, nicht die demokratische Dynamik einer modernen Glaubensgemeinschaft zum Thema, die — wie Mara mit etlichen Beispielen zeigt — zur Zeit zunehmend meint, in die Richtung merkantiler Anbiederung auf ebenfalls zunehmend bildungs- und sogar inhaltsfernem Niveau sich anpassen zu müssen.
Natürlich kann weder der Kunstwerker noch der Autor dieses Kommentars hier eine das Thema erschöpfende Diskussion mit sicheren Antworten “zum nach Hause nehmen” führen. Dies haben seit der Antike Millionen von Traktaten und Bücher nicht geschafft und es ist auch fürder hin nicht von einer diesbezüglichen Klimax auszugehen, denn wirklicher Glaube und Religio sind jenseits jeglicher Antwort und wenn wir bisweilen oder überhaupt je nur einen Hauch des Lebens- und Seinsrätsels verspüren, sind wir privilegiert. Denn genau dort beginnt die, demokratisch und mit eher seichter Unterhaltung in keiner Weise verhandelbare, sogenannte Spiritualität, deren erstes Gebot heisst: MICH KANN MAN NICHT KAUFEN.
Auf das Werk Nr75 von Mara bezogen heisst dies etwa: Wenn man die Holy Spirit-Bohnen in der Büchse nur noch materiell konsumiert, sind sie bald gegessen und sie werden unwiederbringlich den Weg aller Materialität gegangen sein. Und es wird gewiss nichts nützen, dieses Manko, dieses Loch im Geist mit Geld, Brot und Spielen stopfen zu wollen. Wie sagte doch unter anderem jener JEHUSCHA, oder bei uns JESUS geheissene Meister oder Lehrer oder eben Rabbi, der zornig die Händler aus dem Tempelbereich vertrieb, der betonte, dass eher ein Kamel durch ein Nadelör als ein Reicher (gemeint ist damit der materialistische Geldmensch) in den Himmel komme und der aber gleichwohl auch präzisierte und bezüglich Geld und Steuer forderte, dass man dem Kaiser geben solle, was des Kaisers ist usw.? Er sagte: MEIN REICH IST NICHT VON DIESER WELT.
Wenn also Kirche, dann eine, die sich und den Meister aller Meister ernst nimmt und sich nicht schamlos der Angst vor der Schrumpfung und den momentan zunehmend leeren Kirchen beugt und meint, sich nach der DECKE DER OBERFLÄCHLICHKEIT strecken zu müssen. Sie, also diese sich auf verlorenem Posten glaubende Kirche, ist nicht die des Kunstwerkers und sie täte gut daran, sich ein Beispiel am DANIEL IN DER LÖWENGRUBE des alten Testamentes zu nehmen.
Feb 2016, W. Studer
_______________________
zurück zum Werk[