Holz, Doppelleinwand, Acryl, Oesen, Hanfseil, 183x73x3 cm, © mara 1999
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Inspiration
Eine (emotionale Ver-) Bindung gegen Zerrissenheit beendet gleichermaßen das Ungebunden-Sein: Keine Bindung ohne Leidenschaft…
Werk
<Nr16 Bindung> ist ein Schaustück linguistisch eigenwilliger Interpretation des Hochdeutschen, eine Travestie über Bindung, Zerrissenheit und Leidenschaft. Kunstsprech: BINDING-ART
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Klassifikation
<Nr16 Bindung> ist ein Werk aus dem Werkraum Deutung
Bekanntgabe
1999
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Bindung, oder das seiende Sein des Seins
Kommentar zum Werk Nr16
(stu) Im ausgesprochen harmonischen Format, das Schwarz halbwegs und mit zögerlichen Schwung aufgeschlitzt, so dass das intime Blutrot darunter schmerzlich sichtbar wird. Diese hässliche Wunde, dieser sadistisch bewusst geführte Schmiss quer über die ganze Fläche der eben noch heilen und diskret schwarzen Ausdehnung des Formates, erfährt dann eine nicht wirklich heilende und besänftigende Bindung mittels vollständig ungeeigneten Metallklammern im Design des doch eigentlichen pubertären und insofern harmlosen Sado-Punks und Heavy Metall der 80-iger Jahre des letzten Jahrhunderts, als diese Form eigentlich einer Selbstverletzung eines zwar suchenden aber halt nie findenden und deswegen trotzig-traurigen Menschen gleichkam, was glücklicherweise Niemandem Skandal war und ist.
Interessant an dieser Übersicht zu den Realien dieses Werkes des Kunstwerkers ist allenfalls, dass die Gegenwart und die jüngere Vergangenheit diese in einer am Sinn des Kunstwerks ebenfalls vorbeigehenden assoziative Befrachtung mit blutig mordenden schwarz vermummten Horden erfährt.
All dies und noch viel mehr kann und muss hier assoziiert werden, aber darum geht es dem Kunstwerker allenfalls auf einer tertiären Ebene.
Der Schlüssel zum Verständnis der primären Ebene und dem Sinn dieses Werkes bietet die Beschriftung. Deutlich hat Mara diese Legende, die dann doch nicht so einfach zu verstehen ist, wie man annehmen könnte, in mindestens doppeltem Sinne ins Bild gesetzt. Beim Kunstwerker wird dieser Begriff nicht nur in aller Konsequenz unvoreingenommen ernst genommen, was bedeutet, dass BINDUNG Gewinn aber auch Verlust und eigentlich beides zur gleichen Zeit darstellt. Bindung als nur halb geschlossene, dürftigst und schmerzhaft aufrechtzuerhalten, die dennoch niemals aufzugeben ist, denn damit wäre die Verwundung im Sein des Menschen eben auch nicht aufgehoben und geheilt. Übergeordnet philosophiert ist es die eisige Erkenntnis, dass DAS SEIENDE SEIN DES SEINS eben das ganz profan reale Erleben des unauflöslichen Schmerzens ist. Da ist kein Geheimnis. Da ist nur Ohnmacht im Spiegel des Bewusstseins und halt zu lebende Ausweglosigkeit. Mag sein, dass hierin das wesentliche Agens des Religiösen liegt, das Agens für das Gegenteil ist es jedenfalls sicher und in der Theologie ist dieses Problem des von einem allmächtigen und liebenden Gott zugelassenen gequälten und absurden menschlichen Sein als die unliebsame, weil nicht wirklich zu erklärende Theodizee ein möglichst zu unterdrückendes.
Maras BINDUNG, soviel ist klar, ist aus dem Steinbruch der weitgehend unbeeinflussten Wahrnehmung mühsam und im Selbstversuch gewonnen und sein Seinsbegriff entfaltet sich zwangsläufig in die Richtung ausgerechnet jenes einzigen Seinsphilosophen der das Sein, wiewohl prinzipiell als unfassliche Emanation verstanden, trotzdem im Konkreten, dem Fass- und Erleidbaren, der PASSION DES LEBENS eben zu definieren behauptet. Es ist ausgerechnet jener grandiose und als protochristlich empfundene PLATON, der zudem als jener Denker profiliert ist, der jegliche materielle Existenz als Streben derselben nach der eigenen Uridee, dem zugehörigen Urprinzip begreift und dies intellektuell praktisch unantastbar zu vertreten wusste.
Diese Zuordnung der Intentionen Maras spotten auch aller Denunziation in Richtung Depression. Wer sich Mara nicht in irgendeiner selbstgewählten Formulierung anschliessen mag, landet unweigerlich in der Lauheit — was im Sinne Platons das Streben nach der bei ihm eigentlich gar nicht vorkommenden Uridee des Sterbens bedeuten würde.
Mai 2015, W. Studer
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