Holz lackiert, LED-Lauflicht auf GFK Printplatine, elektrifiziert, 130x33x33 cm, © mara 2013
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Inspiration
Das Werk basiert auf einer ziemlich ernst gemeinten Geschichte von Kulturschwund, Kapitulation und Vergeltung:
Gehören Sie auch zu denen, die nach jeder Publikumsvorstellung aufspringen und frenetisch die Hände zusammenschlagen, als gälte es, sich auf Teufel komm raus als kompetenten Kunstkenner ausweisen zu müssen? Haben Sie sich auch schon dabei ertappt, beim Schlussapplaus folgsam (mit-) aufzustehen, obwohl Ihnen das Dargebotene alles andere als hervorragend erschien? Oder gehören Sie etwa zur deutlich kleineren Fraktion derjenigen, die demonstrativ sitzen bleibt, um sich vermeintlich unbestechlich von der grossen Masse abzugrenzen?
Was mich betrifft, wundere ich mich schon seit geraumer Zeit über die fast schon inflationäre Zunahme des Stehapplaus (Standing Ovation) nach jedwelcher Publikumsvorstellung. Ursprünglich eigentlich nur bei sehr grosser Begeisterung und als besondere Ehrbezeugung gepflegt, wird er heutzutage des Öfteren auch dann dargeboten, wenn Gewöhnliches gespielt wurde. Irgendwie wirkt solch unkritisches kollektives Aufspringen auf mich jeweils wie eine Fortsetzung des Theaters mit anderem Personal. Eine Fortsetzung allerdings, die auf Grund ihrer beliebigen Repetition zunehmend langweilt, um nicht zu sagen, nervt. Der allenfalls einschiessende Schutzreflex “Nur noch raus hier” verpufft wirkungslos: Zu spät, um sich durch das frenetische Publikum noch aus dem Staub machen zu können.
Das auswachsende kollektive Beifallen im Stehen scheint also offensichtlich einem zunehmend breiten Bedürfnis zu entsprechen, dem man sich aufgrund des Bewegungsfreiheit raubenden Charakters nur noch durch entsprechenden Kulturverzicht entziehen könnte. Steht ein solcher allerdings ausser Frage, bleibt der irritierten Kulturseele nur noch die Kapitulation vor der grassierenden Beliebigkeit – und dem heiteren Kunstwerker die kreative Vergeltung mit einer endlos stehenden Ovation ;-).
Werk
<Nr22 Standing Ovation> ist ein weiteres Schaustück linguistisch eigenwilliger Interpretation des Hochdeutschen, eine Travestie über inflationäre Ovationen. Kunstsprech: CLAP-ART
Klassifikation
<Nr22 Standing Ovation> ist ein Werk aus dem Werkraum Deutung
Bekanntgabe
Aug 2013, Artikel → Kulturschwund, Kapitulation und Vergeltung
Bange und erfolgssüchtige Seelen
Kommentar zum Werk Nr22
(stu) Standing Ovation, oder wie man zumindest früher in Deutsch sagte stehende Ovation oder stehender Beifall, bezeichnet jene Form von Applaus, der aufgrund einer fulminanten Darbietung, die das Publikum buchstäblich aus den Sitzen reisst, spontan und eben stehend erfolgt. Stehende Ovationen sind trotz deren tendenzieller Inflation bei den Protagonisten jeglicher Art beliebt. Selbst übertriebene Komplimente sind den Adressaten eben Balsam auf die ewig bangen und erfolgssüchtigen Seelen. Das ist menschlich und eigentlich ganz gut so.
Wenn dann aber diese stehende Ovation zur sich narzisstisch selbst hochjubelnden Dauererektion und zur ewig Klimax heischenden Attitüde verkommt, dann lieber Marcel ist – leider – die Zeit für dein jüngstes Werk gekommen: der sich selbst beleuchtende und selbst erzeugende ewige Dauerständer, dieses Un-Denkmal eines zunehmend fehl entwickelten Eros.
Lasst uns also ob der “Leuchtlatte” nicht in stehenden Beifall hinein verblöden! Lasst uns schmunzeln – und uns dabei auch ein wenig selbst an der Nase nehmen!
Sep 2013, W. Studer
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Markus
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Recht hast du, Ein ernstes Problem… cool gelöst! Musste laut lachen. Woher hast du all die Ideen nur. Bitte weitermachen