Holzschale Buche, Figuren HO, Schleimi — Pluto Plasma, 20x15x9 cm (LxBxH), © mara 2014
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Inspiration
Weltweit leben rund 20’000 Randständige mit einem Vermögen von über 30 Mio Dollar. Diese Ultra High Net Worth Individuals fürchten sich vor Bittstellern unter ihren Freunden, leiden unter Neid, Spott und hohen Erwartungen der breiten Masse und müssen sich zum Schutz ihrer Privatsphäre isolieren. Häufig haben sie Angst — vor Geldverlust.
Werk
<Nr38 Randständige> ist ein Schaustück linguistisch eigenwilliger Interpretation des Hochdeutschen, eine Travestie über Rand-Steher. Kunstsprech: OUTSIDER ART.
Klassifikation
<Nr38 Randständige> ist ein Werk aus dem Werkraum Deutung
Bekanntgabe
Sep 2014, Artikel → Die Angst der Randständigen
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Neid leuchtet
Kommentar zum Werk Nr38
(stu) Als wär’s ein seltsames und kostbar-anrüchiges Exponat in einem Museum des analytisch aber letztlich trotzdem unverständlich dargestellten Wahnsinns, in einer ewigen und allumfassenden Sammlung historisch-ethnologisch-soziopsychologischer Paradigmen, im Kabinett des überwirklich Wirklichen und brav eingefüllt in einer den üblichen Sockel des Kunstwerkers krönenden Schatulle, ist da zu sehen GRÜNER GLIBBER umstanden von Figürchen, die zunächst den Massstab der Szenerie vorgeben.
Glibber, gefährlich oszillierend in einem je nach Sichtweise vom edelsten Smaragdgrün ins widerliche Giftgrün changierenden Farbton, unbekannter physischer Herkunft und unabwägbarer psychischer Wirkung und dem Auge in betonter Harmlosigkeit als gezähmt scheinende Kunst dargeboten in kontrastreicher Inszenierung mit den am Rande des Bassins aufgestellten Menschen, die sich mehr oder weniger ostentativ von der sich ausbreitenden grünen Masse in ihrer Mitte abwenden. Als einfache und lustvolle Verbildlichung der Kombination der drei geläufigen Begriffe “breite Masse” und “grün vor Neid” und “Randständige”. Der Kunstwerker führt uns also die Inkorporation der von Randständigen umstandenen, vor Neid grün gewordenen breiten Masse vor.
Dieses unmittelbar als fast biedermeieriges Mahn-Fingerlein daherkommende Werk lässt uns zunächst schmunzeln. Nicht zuletzt, weil die älteren unter dem Publikum diesen grün auslaufenden Popanz substantiell als jenen “Slimie” der 70er Jahre wiedererkennen, mit dem sich die Erinnerung an prächtigen und tendenziell unanständig ekligen Unfug einstellt. Und die etwas Jüngeren werden sich möglicherweise fragen, ob der Kunstwerker nicht vielleicht grüne Gummibärchen eingekocht habe, um diese Chemie verunfallte Masse zu erzeugen. Kurzum: alles hat auf Anhieb irgendwie putzig harmlose Eisenbahn-Anlage-Ausstrahlung. Ein kindlicher Charme, der sich jedoch bei näherer und längerer Betrachtung im eigentlichen Wortsinn als fragwürdig – nämlich der Fragen würdig – herausstellt:
Wer sind denn diese augenscheinlichen Normalos die hier als Randständige fungieren und warum sind sie dem zentralen Motiv, dem Haupt-Bildgegenstand, dem grünen Glibber eben weitgehend abgewandt platziert?
Es sind mitnichten die aus Armut Randständigen, sondern witziger Weise – so deklariert der Kunstwerker – die Superreichen. Die Happy Few also, die allerdings doch nicht immer so glücklich zu sein scheinen, wie es die breite Masse, die überwiegende Mehrheit der Menschen, glaubt. Reiche also, die sich, angewidert vom Neid der breiten Masse, abzuwenden scheinen? Oder wenden sie sich von den Folgen ihres Tuns bzw. Nichttuns ab, um in ihrer Idylle keine Gewissenstrübung erdulden zu müssen?
War’s das schon, was unser Kunstwerker uns vermitteln will oder sollen wir möglicherweise unsere und seine Primärdeutung zu hinterfragen versuchen? Ist hier etwa gar ein Moralisieren des üblichen, des gängigen Moralisierens hervorgelockt? Sollen wir unser eigenes Spiegelbild als Täuschung entlarven?
Kunst ist niemals sinnvoll oder eindimensional logisch oder eindeutig und vor allem unter keinerlei Umständen und zu keiner Zeit vollumfänglich bewusst – auch beim besten und ausgewiesenen Willen weder dem des Urhebers noch dem der Betrachter. Ergo schauen wir hin und fühlen wir und – wie gerne rate ich dieses an – DENKEN WIR NACH!
Dem Kunstwerker ein Dankeschön für das neuerliche Ergebnis seines Tuns und dafür, dass wir jetzt wissen, dass Neid im Dunkeln leuchtet.
W. Studer
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